· 

Kann Kunst jetzt endlich weg oder ist da noch was zu retten?

 

Ein großer Bogen über die drei K der Gegenwart: Kunst, Konsum und Klimawandel.

 

Mit großer Vorfreude auf Sarah Fenders neuen Roman hatte ich ihr angeboten, ihn vor der Veröffentlichung Probe zu lesen. Machen wir untereinander dann und wann so, weil man eben unter Autorinnenfreundinnen noch mal anders liest, denkt und Anmerkungen macht als beispielsweise ein Lektor oder Testleser.

 

Kaum hatte ich das Werk im Postfach, beschlich mich das Gefühl, dass das keine gute Idee gewesen war. Nicht, weil Sarahs Romane nicht großartig sind. Es lag an mir. Ich hatte mich um andere, gekaufte Bücher schon gedrückt in letzter Zeit,  aber auf die hatte ich auch nur so halb Bock. In Fachkreisen nennt man das auch „Leseflaute“. Der Stapel ungelesener bzw. zu lesender Bücher erdrückt einen dann quasi und man kann sich noch so sehr auf eine Lektüre freuen: das wird nix. Da ich mich Sarah ja quasi aufgedrängt hatte und es einen festen Zeitplan gab, bis wann sie eine Rückmeldung bräuchte, versuchte ich es trotzdem. Aber wie sollte es auch anders sein: ich fand keinen Zugang.

Daher versuchte ich es mit einem anderen Buch. Und noch einem. Einem anderen Genre. Bis ich schließlich bei einem Sachbuch landete. Geopolitische Herausforderungen und Chancen im 21. Jahrhundert. Das ging einigermaßen. Aber ein Wechsel zum Liebesroman klappte nicht. Irgendwie lässt sich mein Kopf da nicht täuschen.

 

Bei Sarah kroch ich dann zu Kreuze und sie hatte einerseits glücklicherweise genug weitere Testleserinnen und andererseits auch Verständnis. Sarah, wenn du das hier liest: Es tut mir wahnsinnig leid!

 

 

 

Cover "Weihnachten am Koog" von Sarah Fender
Wie gut, dass Sarah mich nicht als Geburtshelferin brauchte ... Es ist da!

Ich grummelte und muffelte so vor mich hin, weil mir das so noch nie passiert und megapeinlich war. Meinen Frust wollte ich eigentlich an den Aquarellfarben auslassen oder an Sketchbook. Überraschung: das klappte nicht.

Nicht, dass ich nicht einfach ein bisschen Wut-Winter-Putz machen könnte oder was Schönes backen. Katzenroman Nummer drei ist auch immer noch nicht fertig. Ich könnte auch meine Steuererklärung machen oder die Spaghetti nach auf Mikrometer exakte Länge sortieren. Aber selbst das würde nicht helfen.

Natürlich könnte ich das unter Weltschmerz und Winterblues abtun, aber das ist es ebenso wenig wie eine Schaffenskrise. Oder eben alles zusammen.

 

 

Einen Anhaltspunkt, woher dieser Unmut rührt, fand ich heute in der Zeitung. „Superreiche befeuern den Klimawandel.“

 

 

Was hat das jetzt mit Kunst zu tun?

 

Ich hole mal etwas weiter aus. Also: Kunst muss und soll – nach klassischer Auffassung – keinen Zweck erfüllen, nicht praktisch sein und keinen Nutzen erfüllen.

Die in unseren Tagen oft erwähnte, für alle Lebensbereiche geforderte und notwendige Nachhaltigkeit trifft auf Kunst daher nicht oder nur bedingt zu. Viele Künstler*innen arbeiten ja sogar mit der Vergänglichkeit ihrer Werke, dennoch bleiben diese durch sorgfältige Dokumentation zumindest in Erinnerung. Was bleibens- und erinnernswert ist, bestimmt aber nicht der Künstler, sondern die Empfänger. Jeder für sich. Dabei gibt es mal größere, mal kleinere Überschneidungen, aber grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Kunst an sich von immenser Wichtigkeit ist, da wir sie mindestens seit der Altsteinzeit ausüben, hegen und pflegen.

 

Es ist eine „Aufgabe“ des Künstlers, sich mit der eigenen Lebensrealität auseinanderzusetzen, sie in Frage zu stellen und zu reflektieren, Blinde Flecken durch Kunst sichtbar zu machen. Nicht wenige Künstler*innen schaffen bewusst Werke für die Nachwelt, um diesen Zeitgeist mit all seinen Fehlern, Vorzügen und Emotionen zu überliefern. Aber es ist eigentlich egal, ob dies ein gewollter Akt oder zufälliges Geschehen ist; Kunst ist immer Zeitzeuge.

 

Konnte Vermeer sich sicher sein, dass seine Werke ihn überdauern? Dürer? Phidias? Der Höhlenmaler der  Grotte Chauvet in Südfrankreich? Nein. Sicher sicherlich nicht. Aber sie alle hatten vermutlich eins: Hoffnung. Hoffnung, etwas geschaffen zu haben, das auch ihre Kinder und Kindeskinder, folgende Generationen noch anschauen und begreifen könnten.

Ihr merkt, worauf ich hinaus will?


Unsere Lebensgrundlage schwindet, sie bröselt unter unseren Füßen weg und rinnt wie Sand zwischen unseren Fingern. Angetrieben von Turbokonsum und -kapitalismus, beschleunigt durch Superreiche, die sich die Welt machen, wie sie ihnen gefällt. Ohne Rücksicht auf Verluste.

 

Wer heute etwas erschafft, sei es ein Haus, ein Kind oder eben Kunst, Gemüse, Rohre oder Kleidung, kann davon ausgehen, dass in 50-100 Jahren nichts davon übrig ist und auch die Spuren dessen niemanden mehr interessieren. Wir sind nicht mehr zu retten. Schon gar nicht in der Vielzahl und Vielfalt wie jetzt. Für den Planeten sicherlich besser so, für die größte kulturelle Errungenschaft der Menschheit irgendwie traurig.

 

Lohnt es sich da noch, Kunst zu machen?

 

Nun, Kunst, wie weiter oben beschrieben, muss sich nicht lohnen, da sie niemandem dienen muss, außer sich selbst. In puncto Nachhaltigkeit, Haltbarkeit, Verbleibeerwartung lohnt es sich daher auf jeden Fall, heute noch Werke zu schaffen. Lohnt es sich aber auch, die Lebenszeit dafür aufzubringen, die, wie Beuys es nennt, „ständige Konfrontation mit dem eigenen Ich“ zu riskieren? In einer Welt, die vor Egomanen, Egoisten und Egozentrikern nur so strotzt? Haben die es überhaupt verdient, dass sich Künstler*innen quasi aufopfern, sie noch zu verschönern, zum Denken anzuregen und es mit ihnen zu teilen?

 

Gut, man kann ja jetzt sagen: dann macht der Künstler die Kunst halt nur für sich, sie dient ja eh keinem Zweck, er muss sie ja nicht zeigen oder gar verkaufen. Aber wie viel ärmer wäre die Welt ohne Bücher, Bilder, Skulpturen, Filme, Musik, Fotos usw. – und wie viel schneller würde sie stillstehen, wenn nicht auch das Jetzt aufgegriffen und reflektiert komprimiert würde?

Wenn ihr noch Weihnachtsgeschenke sucht oder euch selbst eine Freude machen wollt, kauft was von lebenden Künstler*innen oder Handwerker*innen, die haben dann auch noch was davon und es landet nicht bei den Superreichen wie Musk, Arnault, Zuckerberg und Co.

 

Ja, das war jetzt auch schamlose Eigenwerbung. Mea culpa.

Wenn ihr Inspiration möchtet, schaut gern mal bei der Cubus Kunsthalle vorbei, da läuft gerade der Kunstmarkt 23 „Kauft Kunst zum Fest“ u.a. mit Reiner Langer oder guckt bei Sarah Fender rein oder schreibt in den sozialen Medien die Künstler*innen an, deren Werke ihr toll findet und fragt, ob sie einen Shop haben oder ob und wo man ihre Werke kaufen kann. 

 

 

Ich gehe jetzt in die Küche und messe Spaghetti. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0