Dieser Beitrag richtet sich an Verlage und Selfpublisher gleichermaßen. Darf aber auch gern von geneigten Lesern berücksichtigt werden, damit sie bloß nicht das falsche Buch erwerben.
Ein Großteil der Kaufentscheidung bei Büchern hängt vom Cover ab. Da man sich ja damit während der Lesezeit auch am meisten beschäftigt. Das ganze Buch ist Murks, wenn das Cover nicht den unten
aufgeführten Ratschlägen entspricht. Ernsthaft.
Zum Einstieg was Leichtes.
Die Handlung spielt in Süddeutschland? Du musst unbedingt die Berge oder eine geschützte Pflanzenart darstellen und in jedem Fall darauf hinweisen, dass es ein Bayern-Franken-Baden-Bodensee-Buch
ist!
Für Norddeutschland gilt: Es sollte mindestens ein Rettungsring, Anker oder Strandkorb abgebildet sein, sonst erkennt man den regionalen Bezug nicht. „Schietwetter“ und der Verweis auf
Nord-Süd-Ost-West-Friesland sind ebenfalls unumgänglich.
Es ist ein Thriller? Hier gilt: Unbedingt riesige Schriftblöcke verwenden. Und Blut. Spritzer, Lachen, Rinnsale – egal. Hauptsache Blut. Schwarz kommt auch immer gut. [Hihi. Sie hat „schwarz“
geschrieben …]
Sollte es ein Krimi sein, nimm auf jeden Fall ein Mordwerkzeug mit drauf. Sonst erkennt man das nicht als Krimi. Und du musst dich ja vom blutigen Cover eines Thrillers abheben!
Es wird kniffliger. Ihr ahntet es bestimmt.
Wenn das Buch ein Liebesroman ist, dann bloß keine Herzchen. Das ist obsolet. Nur nackte Männer ohne Kopf, aber dafür mit umso mehr Waschbrettbauch, erwecken Aufmerksamkeit. Übrigens: Solange
nicht Millionaire oder Billionaire (wahlweise auf Deutsch Millionär bzw. Milliardär) draufsteht, ist es kein guter Roman. Eine halbnackte Frau, die sich ihm anbiedert, schadet nicht, sollte aber
ebenso wohlbedacht eingesetzt werden wie Tattoos. Ein knutschendes Pärchen geht auch. Zur Not. Und bitte beim Titel darauf achten, dass er unbedingt den Unique-Selling-Point verrät. „Eine cremige
Liebe in der Normandiefleischerei“ oder „Super-Hot Footballspieler auf Reiterhof in Not“ – der potentielle Leser soll wissen, worum es geht.
Bei Reiseabenteuern darf natürlich ein Schnappschuss der Örtlichkeit nicht fehlen.
„Lampukistan von seiner schönsten Seite“ oder „Ironien – wie es keiner kennt“ wären nichts ohne die pixeligen Bildchen aus dem
letzten Urlaub. Mit dem Handy aufgenommen. Bei Windstärke 9. Und Regen. Bitte. Aber bunt. Möglichst viele Farben. Und noch mehr verschiedene Schriftarten. Soll ja zeigen, dass man vielgereist
ist.
Biografien müssen natürlich „Mein Leben“ oder „Das Leben des …“ heißen. Wahlweise gern auf Englisch, um dem Ganzen auch für das letzte Pornosternchen mit Großmannsambitionen einen internationalen
Anstrich zu geben. [Huch. Sie hat Porno und Strich in einem Satz verwendet …] Alles andere als ein Schwarz-weiß-Bild des Portraitierten, vorzugsweise in Denkerpose, ist unverkäuflich. Gar nicht
erst versuchen.
Ein Fantasyroman darf nichts anderes auf dem Cover haben, als ein wunderschönes, glitzerndes und anmutiges Einhorn. Kommt kein Einhorn im Text vor, ist das schon mal extrem blöd, lässt sich aber
durch eine nebelhafte Glaskugel, einen sexy Vampir (bitte beim Liebesroman abgucken) oder eine engelhafte Elfe in Walla-Walla-Kleid ersetzen. Wichtig ist, dass ganz viele dunkle Beerentöne
verwendet werden. Und schnörkelige Schrift. Gold. Und Silber. Und Glitzer. Hatten wir Glitzer schon?
Erotische Romane müssen sich ja irgendwie von den Liebesromanen abheben, seitdem auf deren Cover nur testosteronstrotzende, kopflose Vollblüter erlaubt sind. Hier dient es sich an, mindestens ein
Paar Handschellen abzubilden. Oder eine venezianische Maske. Die “Frau im Abendkleid von hinten im Schnee” überlässt man besser den Liebesromanen. Es sei denn, das Kleid ist nur ein breiterer
Gürtel, der für einen Moment von den Strapsen und High Heels ablenken soll, dann geht das natürlich. Schwarz und rot sind übrigens die Farben der ersten Wahl.
Und benutzt unter allen Umständen Stockfotos. Wirklich. Die Dinger müssen austauschbar bleiben und dürfen so wenig wie möglich individuell sein!
Ein „Coming of Age“-Roman braucht eigentlich nur Pastellfarben und die Namen des Protagonistenpärchens. „Uschi und Wolfgang“ in zartrosa. In lavendel dann gegebenenfalls ein Untertitel „in love“
oder – hier bitte aber nicht zu kreativ werden – „Eine Liebe findet ihren Weg“. Wahlweise ginge auch „Gegen alle …“ Das Bild muss aber unbedingt das Pärchen zeigen. Händchenhaltend. Oder
sich-verliebt-in-die-Augen-blickend.
Steht die Liebesgeschichte nicht im Vordergrund, sondern die Heldenreise, dann ist es unablässig, entweder das Auto, Motorrad, den Trecker oder die Vespa als Clipart auf dem Cover zu
positionieren. Sollte nicht der Weg das Ziel sein, tut es auch der Eiffelturm, die Freiheitsstatue oder – Achtung, es könnte zu exotisch sein – der Taj Mahal.
Ein historischer Roman braucht übrigens immer ein Bild aus dem Antiquariat auf dem Deckel. Ohne geht nicht. Möglichst vor schwarzem Hintergrund. Mehr nicht. Ganz einfach.
Spielt eine Katze eine Rolle, muss sie auf das Cover. Punkt.
Sollte es sich „einfach nur“ um einen Roman handeln, sind der Freiheit keine Grenzen gesetzt. Außer denen, die sich durch die anderen Genres ergeben. Man will sich ja abheben. Prinzipiell dient
sich hier ein alter Mann auf einem Stuhl vor städtischer Kulisse an. Oh, es geht nicht um die wirre aber literaturnobelpreisverdächtige Lebensgeschichte eines Immigranten? Dann – ähm – tja.
Pastelltöne. Und eine Tuschezeichnung. Irgendwo noch Platz für die vielen Aufkleber lassen. Ihr wisst schon. Spiegel-, Bild-, Badezimmerschrank-, New York Times-Bestseller.
Ach so – sollte es sich beim Autor übrigens um Wolfgang Koslowsky-Hildebrandt handeln, ist das natürlich ein grandioses Alleinstellungsmerkmal, aber den Namen merkt sich vermutlich keine Sau.
Hier ist Kreativität gefragt. Schreibt er Fantasy? Dann machen wir aus dem Wolf einen Fenrir und Koslowsky-Hildebrandt wird durch Grey oder Black oder Shadow ersetzt. Klingt gleich viel besser.
Oder? Ach, er schreibt Thriller. Nee, da kann der Arme seinen Namen auch nicht behalten. Buster Sky (um wenigstens aus Koslow“sky“ noch was mitzunehmen) ist sicherlich besser. Egal, dass er auf
Deutsch schreibt. Man will ja international klingen. Sonst wird das nichts mit der Hollywood-Verfilmung.
Der Autor ist eine Frau? Ach herrje. Mathilde Knippelsbusch stellt man sich nicht sexy vor. Die kann keine Romanzen schreiben und erst recht keinen Bondage-Bestseller, der wirklich fesselt.
Daraus kann nichts anderes werden als M.K. Love. Sollte dieser Name – was verwunderlich wäre, aber kann vorkommen – bereits vergeben sein, weicht man eben auf Mathí Romance aus. Man beachte bitte
den Accent aigu – ein einfaches I enttarnt die Fälschung! Frau Knippelsbusch schreibt gar keine Romanzen sondern von Elben und Einhörnern? Unbedingt etwas wählen, bei dem Tolkien vor Neid
erblassen würde. Ach, der ist schon tot? Für Arwelia Lothringaard steht er sicher wieder auf. Oder Artahera Pulundriél. Bitte richtig betonen, Pu-lun-dri-eeel. Danke.
So, Checkliste abgearbeitet, Autorenname, Titel und Layout passen zusammen? Perfekt. Willkommen im Buchmarkt. Der Platz vorne links zwischen den kopf- (und damit auch hirn-)losen,
testosterongeladenen Mä- Ach, offensichtlich? Wunderbar. Räumen Sie sich einfach was frei. Fällt sicher nicht auf.
[Teilen erwünscht, es sollen ja alle was davon haben. Und ich freue mich auf meinen ersten Shitstorm. Ironie off.]
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