"Larissa, geh zu Amazon, veröffentliche deine Bücher über KDP oder CS, sonst wirst du nie richtig Erfolg haben!"
So oder so ähnlich lesen sich die, zweifelsohne gut gemeinten, Ratschläge anderer Autoren und Blogger, die mitbekommen haben, dass ich
bei Twentysix veröffentliche.
Amazon ist für mich das Goldene Kalb der Selfpublisher. Wir sind unabhängige Autoren, freie Schriftsteller. Wir vermarkten unsere Autonomie als unsere
Stärke. So weit, so legitim. So amazonkonform. Mit der Bindung an den Handelsriesen tanzen wir aber fröhlich um das Götzenbild der Gratis-eBooks und Fake-Bestseller. Wie viel Souveränität
besitzen wir damit noch?
Und mit "wir" inkludiere ich mich tatsächlich, weil ich einerseits ab und an dort etwas bestelle, aber mich andererseits auch lange damit beschäftigt habe,
auf diesen Zug aufzuspringen. Mitzutanzen. Mich vom möglichen Mehr-Erfolg magisch habe anziehen lassen. Gleicher Aufwand, mehr Ertrag, mehr Cross-Buying-Effekt. Super.
Und dann saß ich einen Tag im Schaufenster einer Buchhandlung.
Habe an meinem aktuellen Buch geschrieben.
Mich mit Lesern unterhalten.
Ein Buch gekauft.
Ein weiteres empfohlen bekommen und gekauft.
Ein Kuscheltier erworben.
Ein Selfpublisher-Buch bestellt.
Wäre alles auch bei Amazon möglich gewesen.
Per Mausklick.
Sogar das Schreiben. Das hätte ich euch per Video auf meiner Autorenseite eingebunden.
Auch bei Amazon hätte ich damit Familien unterstützt. Die, der Lageristen, der Sachbearbeiter, der Paketdienstfahrer.
Den ein oder anderen kenne ich sogar. Also nichts, was unpersönlich oder weniger in Ordnung wäre.
Aber liebe Lesende: Es ist ein anderes Gefühl, ein Buch in die Hand zu nehmen, im wahrsten Sinne des Wortes reinzuschnuppern. Sich darüber auszutauschen.
Eine persönliche Empfehlung zu bekommen. Es hübsch verpackt mitzunehmen und zu verschenken.
Entweder ist einem das wichtig oder eben nicht. Emotionssache.
Ähnlich wie die Sache mit dem Glauben.
Als bekennende Agnostikerin bzw. Pastafari sehe ich das aus einem anderen Blickwinkel, nicht besser oder schlechter als jeder andere auch.
Mir würde aber absolut etwas fehlen, wenn es keine Buchhandlungen mehr gäbe.
Die großen Ketten sind vielleicht too big to fail, aber woher kommt das? Sie bieten ein nahezu einheitliches Sortiment an, das zu großen Teilen aus Dingen
besteht, die nicht in erster Linie mit Büchern zu tun haben. Kinderspielzeug. Kerzen. Grillzubehör. Dekoartikel.
Ja, gibt es in kleinerem Umfang auch in unabhängigen Buchhandlungen. Ist ja auch nett anzusehen, wenn so ein Thementisch hergerichtet ist.
Gehe ich aber in die Mayersche oder zu Thalia, komme ich mir vor wie im Kaufhaus.
"Wo, bitte, stehen denn hier die Bücher?"
Was hat das nun mit Twentysix und der Eschberg-Reihe zu tun?
Für Indie-Autoren ist BoD (und damit Twentysix) schon ein größeres Label. Auch dahinter verbirgt sich nicht die Wohlfahrt, sondern ein profitorientiertes Unternehmen. Zwei, um genau zu
sein.
Twentysix ist eine Kooperation von Random House (Berteslmann-Gruppe) und BoD (Books on Demand). Ein Dienstleister, der ein
Rundum-Sorglos-Paket anbietet, eine Marge, die nicht wesentlich besser oder schlechter ist als anderswo, und die Aussicht auf einen Verlagsvertrag, wenn man zu den Auserwählten
gehört. Mir ist bisher nur ein Fall bekannt, bei dem letzteres geklappt hat, aber darauf bin ich auch nicht
sonderlich scharf. Weshalb?
Steht hier in epischer Breite nachzulesen.
Zwischen Twentysix und Amazon stimmt naturgemäß also die Chemie nicht immer ganz. Änderungen und Neuerscheinungen dauern ewig, bis sie platziert sind, Zuständigkeiten werden hin- und
hergeschoben. Nervt. Weil irgendwie will man als Autor ja doch vernünftig vertreten werden, wenn man sich schon nicht mit dem Branchenprimus einlässt.
Bisher konnten aber alle meine Anliegen gut gelöst werden und ich habe auf den beiden Buchmessen meine Ansprechpartner inzwischen sogar persönlich kennengelernt.
Es ist daher ein stückweit Loyalität, die mich bei Twentysix bleiben lässt. Nicht nur die gegenüber dem Verlag, sondern auch die gegenüber meiner Buchhandlung.
Ich kann mich nicht auf der einen Seite über das Innenstadtsterben beklagen und auf der anderen meine Werke dorthin geben, wo es mit verursacht wird. Damit gebe ich Amazon nicht die
Alleinschuld daran; es hat immer Versandhäuser gegeben und auch lange Zeit schon Shoppingzentren. In einer zunehmend digitalen Welt ist diese Seitwärtsbewegung nur logisch und auch nicht
gänzlich falsch.
Werft mir Nostalgie vor, die immer ein stückweit auch Verdrängung ist, aber ich möchte einen Einkaufsbummel nicht missen müssen. Möchte nicht immer planmäßig kaufen und Lieferzeiten und
Versandkosten kalkulieren (auch wenn beides ja nicht obligatorisch ist).
Wer den besseren klimatischen Fußabdruck liefert, lasse ich mal zur Diskussion gestellt.
Ich verkaufe mit meinen Büchern Emotionen. Und ein Einkauf bei Amazon ist für mich so emotional wie mir morgens die Zähne zu putzen.
Wir sehen uns in der Buchhandlung.
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Sookie Hell (Donnerstag, 23 November 2017 14:14)
Sehr schön, das kann man gar nicht oft genug sagen! Ich glaube auch gar nicht an das Märchen "Exklusivbindung an Amazon = Bestseller". Es kommt auf die Zielgruppe an und bei Amazon ist eben ein ganz bestimmtes Publikum unterwegs. Ich veröffentliche zum Beispiel beim "Mutterhaus" BoD und will auf meine treuen Thalia-Leser gar nicht verzichten, für mich macht Amazon gerade mal ein Drittel meiner Leser aus. Und dich hab ich schon bei Readfy (heißt das so?) in den Charts gesehen. Wieso sollten wir den Lesern, die ganz woanders unterwegs sind, die lange Nase zeigen und sagen: "Ätsch, ihr müsst jetzt rüber zu Amazon, wenn ihr uns lesen wollt!"? Die Vielfalt des freien Buchmarkts heißt für mich auch, Lesern die freie Wahl zu lassen, wo sie einkaufen möchten. Ich habe gesprochen! :D
LG, Sookie