Warum ich nur selten Liebesromane lese, obwohl ich das zu meiner Belustigung eigentlich öfter tun sollte.
Duschen hilft bei mir gegen den Knoten im Kopf. Echte Schreibblockaden kenne ich nicht, aber wenn ich mich mal an etwas aufhänge, dann weiß ich, dass mich ein paar Dinge ganz sicher dazu bringen, den Wirrwarr zu strukturieren. Einkaufen. Laufen. Duschen. Kochen.
Dass mich unter der Dusche Geistesblitze ereilen, führte irgendwann dazu, dass in der Regel eine Sprachaufnahme mitläuft. Wer jetzt schweinische Gedanken hat … denke sie in aller Ruhe zu Ende.
Heute platzte statt eines Knotens aber irgendwie eher der schon abgelegte Flanellhemdkragen. Das wiederum hängt indirekt mit dem neuen Facebookalgorithmus zusammen, aber anders, als man vielleicht jetzt vermuten mag.
Mir werden seit ein paar Tagen vermehrt Werbeposts für Bücher angezeigt. Von Autoren, mit denen ich eigentlich nichts zu tun habe, aber in deren Zielgruppe ich scheinbar falle. Zu meinem Leseverhalten habe ich bei Facebook wenig angegeben, aber so ziemlich alles andere liegt offen da; ein guter Datensammler kann daraus einen wundervollen Eintopf zaubern, den er mir dann in Form von Werbung serviert. Ein guter. Ich bekomme stattdessen Einheitsbrei und (frei nacherzählt) folgende Buchwerbung präsentiert:
Der neue Bestseller von Mathilde Knippelsbusch: „Ich will dich reiten, Cowboy, lass mich deine Kuh sein!“ Heute der hocherotische Schnipsel Nummer drölf, exklusiv für euch:
„Zwischen meinen Beinen spüre ich seinen prallen, harten Schwanz. Ich bin noch im Tiefschlaf, aber er beißt mich in die Schulter. Von null auf hundert bin ich hellwach und mir läuft heißer Saft aus der Muschi. O wie ich diesen Mann will. Und er mich. Er reißt mich an der Schulter herum und drückt mir seine Zunge in den Mund, er frisst mich fast auf und sein Schwanz bohrt sich unaufhörlich seinen Weg. Meine Nippel werden hart und groß wie Treckerventile, Ray ist der heißeste Typ, dem ich je begegnet bin. „Nimm mich!“, rufe ich und hoffe darauf, dass er endlich in mich eindringt und mich fickt, bis mir die Luft ausgeht.“
Dreihundert Likes, hundertfünfzig begeisterte Kommentare. Oar … Da staunt Frau Schwarz nicht schlecht. Das verkauft sich also. Als Erotik. Huiiiiiii, jetzt weiß ich endlich, was ich bisher falsch gemacht habe. Ich denke zu viel. Zu logisch. Zu schön. Beim Sex meiner Protagonisten.
Ich verstehe aber immer noch nicht, wen und wie so eine derart geschriebene Szene erigiert. Mich irritiert das eher.
Über das Thema „Schwanz“ als Wort für Penis habe ich mich an anderer Stelle schon ausgelassen und auch die Sache mit dem Eindringen sorgt bei mir immer noch für etwas Befremden, aber inzwischen gehe ich damit etwas gelassener um. Aber: Was zur Hölle macht einen heiß, wenn man – wohlgemerkt aus dem Tiefschlaf gerissen – unvermittelt eine Zunge in den Mund geschoben bekommt? Ich persönlich bekomme beim Lesen dabei unweigerlich einen Pelz auf der Zunge und würde lieber meine nasse Katze (nein, nicht Muschi, Audrey) ablecken. Wer von uns wird bitte wach und hat Pfefferminzgeschmack im Mund? Oder zumindest ein neutrales Aroma?
Und wenn ihr heißer Saft aus der Muschi läuft – wie ist der da vorher reingekommen?
Nee, Spaß beiseite. Säfte sind Säfte. Aber Muschi ist so ein Wort … Himmel. Das sagen verklemmte Omis, wenn sie ihre kleinen Enkelinnen zu Besuch haben und ihnen erklären, dass sie sich von vorne nach hinten abputzen sollen, nach dem Urinieren. Oder wenn sie eine Katze meinen. Bei Muschi muss ich also lachen. Genauso wie bei harten Nippeln. Firrrrrrrrrrh – kuck mal, wie das vibriert, wenn man dagegenschnipst. Ja, auch hier wird es gegebenenfalls sehr technisch bzw. medizinisch, wenn man stattdessen von Brustwarzen spricht. An Warzen möchte ja dabei auch niemand denken.
Da soll noch mal einer sagen, Deutsch sei eine poetische Sprache … Die Treckerventile sind übrigens dem Cowboy-Thema geschuldet und das Ganze ist ein Ausspruch eines befreundeten Landwirtes, der in diesen Worten von einer Dame aus einem einschlägigen Film zu schwärmen pflegte.
Ist es da also das Befreiungsmoment des backfischigen Kicherns, ein Wort (ein Wort – nichts anderes!) in den Mund zu nehmen (oder zu denken), das man sonst nicht benutzen würde, weil es … nun ja … informell ist? Mein innerer Psychologe sagt ja, dass dieser vermeintliche Dirty Talk etwas mit frühkindlicher Prägung („Sowas sagt man nicht!“) zu tun hat und dass allein das Verbotensein dieser Worte einen gewissen Reiz ausübt. Dazu noch die Lüsternheit des Erzählmoments und das Erleben im Kopfkino – da fliegt man schon mal darüber weg, dass man morgens aus dem Mund riecht, wie ne Kuh aus dem Allerwertesten. (Um beim Leitmotiv mit dem Cowboy zu bleiben.)
Nun denn. Immerhin gibt es ein „O wie ich ihn will“. Das klingt beim Lesen für mich irgendwie stumpf. Mein Kopfkino geht da „Oh, kaputt“, sofern es nach der Nummer mit dem Mundgeruch überhaupt angesprungen sein sollte. Dass Ray ja ach so heiß ist, muss man da wohl tatsächlich noch mal betonen, mir fehlt an dieser Stelle nur noch der Nachsatz „und seine Milliarden sind mir sowas von egal“.
Herzlich lachen muss ich immer, wenn ich dieses typische „nimm mich!“ lese. Entweder denke ich dann an „Nimm mich mit“ von Marius Müller-Westernhagen oder an das Aufmerksamkeitsgeheische beim Bachelor „Nimm mich, nimm mich, ich will auch demnächst ins Dschungelcamp!“ Vermutlich schmecken die Känguru-Hoden immer noch besser als seine. Oder der Mundgeruch …
Ich meide also Liebes- und Erotikromane, bei denen das Cover und der Titel mich schon aus den oben genannten Aspekten abschrecken (Näheres dazu könnt ihr übrigens hier nachlesen). Dass ich aber auf Facebook damit bombardiert werde, wie die Damen in den Büchern vom Sperma, das wahlweise in sie geschossen oder gespritzt wird (aua!), nervt mich dieser Tage. Ich deabonniere und schalte auf Snooze, was möglich ist. Und ich versuche, solche Dinge zu überlesen. Ehrlich. Aber das ist wie der vielbesagte Starkstrom, von dem man nicht ablassen kann. Hat jemand eine Idee, was dagegen hilft?
Wer sich nach der Einleitung übrigens jetzt immer noch vorstellt, dass ich im apfelgrünen Handtuch vor dem Laptop sitze, die Haare nass im Turban und in meinen Kaffee schnaubend … der möge sich dieses Bild bewahren. Man lasse mir meine Duschmomente. Manche Dinge muss man eben sofort aufschreiben. Oder nie.
PS: Meine Protagonisten haben Sex, sind nicht immer frisch geduscht und sie tun es auch nicht nach Schema F. Aber sie sind irgendwie authentischer dabei.
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Rachel (Dienstag, 20 Februar 2018 14:01)
Oh man. Ich bin vor lachen echt vom Sofa gefallen! Wie herrlich du das geschrieben hast � ich stimme dir übrigens voll und ganz zu.
Josy (Dienstag, 20 Februar 2018 19:09)
Die Geschmäcker sind zum Glück verschieden. Und mal ehrlich: Es wird wahrscheinlich seinen Grund haben, warum die Leser solche Bücher lesen und deine nicht. Und ganz ehrlich: Bis eben kannte ich dich nicht mal, was nicht wirklich für dich als Autorin spricht. Jetzt muss ich dich und deinen überheblich nervigen Blog gleich mal auf Facebook auf Stumm schalten.
Sandra (Mittwoch, 21 Februar 2018 09:34)
Es muss einem nicht jedes Buch oder jedes Genre gefallen. Aber sich in derartig abfälliger Art und Weise öffentlich über die Geschichten deiner Autorenkollegen auszulassen, ist einfach nur schäbig und verrät viel über deinen Charakter. Man hat das Gefühl, dich frisst der Neid auf deine Kolleginnen, die mit dieser Art Geschichten sehr erfolgreich sind, innerlich auf. Vielleicht schreibst du doch nicht so toll wie du denkst, und es liegt schlichtweg an dir! Schon mal darüber nachgedacht?
Manuel (Mittwoch, 21 Februar 2018 12:18)
Tja, 50 Shades of Grey war ja auch sehr erfolgreich. Erfolg und Qualität sind in vielen Genrewerken leider nicht zwangsläufig deckungsgleich. Und Schreiben nach Klischee ist auch noch recht verbreitet. Wozu sich überhaupt noch Mühe machen? Warum versuchen wir überhaupt noch, originell zu sein?
Daniela (Donnerstag, 22 Februar 2018 13:27)
Liebe Larissa,
einfach grandios! Ich habe herzhaft und laut gelacht. Vielen Dank für deinen erfrischenden Beitrag. Jeder hat die Wahl zwischen
Titel, Thesen, Temperamente oder Frauentausch.
Um es mal für die breite Mehrheit verständlich zu machen.
Bleib du mal schön auf dem Niveau der öffentlich-rechtlichen.
Chapeau!
Liebster Gruß, deine Kollegin
Daniela Hartig