Ein Artikel über Rost, Rahmen und Recht, Sicherheit und Versicherung von Oldtimern. Für Einsteiger, Fortgefahrene und Passagiere.
Manchmal verknüpfen sich Themen[felder] und Rechercheergebnisse wie von Zauberhand und ergeben ein großes Ganzes, das man am Anfang einer Idee gar nicht beabsichtigt hatte. Auf diese Weise ist dieser Beitrag entstanden, in den Nachwehen der Techno Classica, angetrieben von einer Sache, die mich seit Beginn der Auseinandersetzung mit dem Thema Oldtimer beschäftigt: Sicherheit.
Ich ließ mich zu meiner Zeit als aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr mal zu der Äußerung hinreißen, dass ich „niemals ein Fahrzeug ohne Airbag fahren würde“ und auch „im Traum nicht darauf käme, mich nicht anzuschnallen“.
Inzwischen habe ich mich selbst eines Besseren belehrt.
Hoppala.
Besser?
Nun ja, die Redewendung lautet so. Aber eigentlich habe ich bloß mit einem meiner Prinzipien gebrochen und stelle mich im 21. Jahrhundert sicherheitstechnisch schlechter als ich müsste.
Als ich das erste Mal in einem Ford Thunderbird von 1961 saß, der keine Anschnallmöglichkeit hatte, wusste ich am Anfang nicht so recht, wohin mit dem Gesäß.* Viel seltsamer aber war das Gefühl, sich sehenden Auges in eine gewisse Gefahr zu begeben. Für mich war interessant zu beobachten, dass dies aber – entgegen meiner Annahme – nicht zu Angst oder Unwohlsein geführt hat, sondern zu einer bewussteren Fahrweise, auch wenn ich mit dieser keinen Passiv-Unfall verhindern könnte.
Es sprachen nachher andere Gründe gegen den Erwerb des T-Bird, er war auch nicht das letzte Fahrzeug ohne Sicherheitsgurte, das ich gefahren habe. Der Eindruck aber war nachhaltig und beeinflusste indirekt auch den Kauf des Pontiac.
Der ist zwar auf vier von sechs zugelassenen Sitzen mit Beckengurten ausgestattet und hat durch die lange Schnauze und das enorme Heck ordentlich Aufprallschutz, aber an den Seiten: Fehlanzeige. Airbags? Ebenso.
*Ich bin zuvor schon mehrfach Trecker gefahren, auf denen es auch keine Gurte gab, ebenso hatten die frühen Feuerwehrfahrzeuge keine Möglichkeit, sich anzuschnallen. Die Aussage bezog sich rein auf die PKW-Nutzung.
So: Why, why, why?
Nun, für mein recht hohes Sicherheitsbedürfnis – attestiert von meinem Psychologen – ist das natürlich jetzt nicht soooo der Brüller. Vereinbar mit meinem Wunsch, nicht unter der Durchschnittsmortalität für meinen Jahrgang abzuleben, schon gar nicht. Warum also setze ich mich jedes Mal in die alte Möhre und wage mich damit in den Straßenverkehr? Ist das dieser berüchtigte Hang zu Extremen? Der Ausgleich für den Angsthasen in mir? Bewältigungstherapie?
Es ist eine gesunde Mischung aus allem genannten und der Freude am Fahren, welches mit reinem Von-A-nach-B-Kommen nichts gemein hat. Wobei die gefühlte Sicherheit sogar wissenschaftlich erwiesen ist.
Eine vom VDA veröffentlichte Studie hat belegt, dass die Fahrer von Oldtimern sicherer und umsichtiger fahren, aber auch vom sonstigen Verkehr besonders wahrgenommen werden, auch wenn inzwischen mehr als 400.000 von ihnen auf den Straßen unterwegs sind. [Stand 2018]
Diese „besondere Wahrnehmung“ von Oldtimern gilt nicht nur für andere Verkehrsteilnehmer und das Finanzamt [dazu weiter unten], auch Versicherer bieten für diese Fahrzeuge eigens entwickelte Policen an, die einerseits dem Wert, andererseits dem Einsatz und der Laufleistung gerechter werden [sollen]. Als Beispiel wird dazu gern der Käfer herangezogen oder der Mercedes Benz W123, die meistgefahrenen Oldtimer in Deutschland. Wie aber sieht es mit einem US-amerikanischen Fullsize-Coupé aus?
Wie an meiner Vita unschwer zu erkennen ist, habe ich als Bankkauffrau knapp 12 Jahre immer mal wieder mit Versicherungen zu tun gehabt, von der Beratung über den Verkauf bis hin zur Abwicklung von Schäden. Dass mich aber ein direkter Versicherungsvergleich mal so überraschen könnte, habe ich nicht gedacht.
Inspiriert von den zusammengestellten Listen, die der Oldtimer Markt (Ausgabe 04/2019) und Classic Analytics in Zusammenarbeit mit Motor Klassik bereitgestellt haben, habe ich bei den mir dadurch bekannten Versicherungen entweder direkt online ein Angebot errechnet, oder mit denselben unten aufgeführten Angaben eines angefordert.
Pontiac Catalina
EZ 01.06.1967
213 KW
2-door Coupé
6473 ccm/400 cui
Max. 5.000 km
keine gewerbliche Nutzung, keine Kündigung durch Vorversicherer, keine
Unfälle
Alltagsautos vorhanden (alle woanders versichert)
Wiederbeschaffungswert lt. Gutachten aus 08/2018 und Zustandsnote gebe ich gern auf Anfrage heraus, möchte sie aber hier
nicht veröffentlichen.
Fahrer: mein Mann und ich
Abstellort: Garage
Gewünscht waren Vollkasko [VK] mit Selbstbeteiligung [SB] 500 €, Teilkasko [TK] SB 150 € und natürlich
die gesetzlich
vorgeschriebene Haftpflicht [HP]. Im Zuge dessen sollte übrigens erwähnt sein, dass Haftpflicht und Kasko nicht beim selben
Versicherer abgeschlossen werden müssen.
Die Angaben in der Tabelle basieren auf den ausgewiesenen Prämien in den Rechnern bzw. Angeboten. Wo sich also nur die Endsumme finden lässt, wurde mir nichts anderes zur Verfügung gestellt. Wo es die oben gewünschte Absicherung nicht als solche gab, sondern stattdessen bspw. eine Allrisk-Versicherung angeboten wird, habe ich diese aufgenommen. Die Preise verstehen sich in Euro pro Jahr und inkl. Versicherungsteuer.
|
ADAC |
Alli-anz |
Auto-san Classic |
Axa |
Con-cordia |
Go-thaer |
HDI |
Hiscox |
LVM |
Mann-heimer |
OCC |
WGV |
Würt-tem-ber-gische |
Zurich |
Durch-schnitt |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
HP |
77,15 |
84,04 |
|
95,47 |
83,31 |
176,31 |
85,09 |
80,00 |
70,19 |
|
|
70,09 |
84,61 |
69,00 |
90,51 |
VK |
297,05 |
404,23 |
|
284,90 |
278,86 |
212,75 |
235,86 |
140,00 |
191,53 |
|
|
189,38 |
218,44 |
284,90 |
254,64 |
Σ |
374,20 |
488,27 |
232,10 |
380,37 |
362,17 |
389,06 |
320,95 |
220,00 |
261,72 |
364,03 |
337,91 |
259,47 |
303,44 |
353,90 |
347,07 |
Signal Iduna und Carisma hatten keinen Online-Rechner und auf meine Kontaktanfrage nicht reagiert. Olasko makelt erst ab einem Fahrzeugwert von 20.000 € und nur auf Anfrage, German Underwriting ab 75.000 € laut Webseite, Stand 04/2019. (In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass die LVM auf meine Kontaktanfrage nicht reagiert habe, dies geschah zu einem späteren Zeitpunkt dann via Mail und telefonisch.)
Uff.
Ja, Uff!
Wer sich ein bisschen mit Algorithmen, Statistik und Risk Management beschäftigt oder auch einfach nur genauer hinsieht, erkennt, dass hier sehr unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden. So reichen der Zurich vier Angaben, um den Beitrag zu ermitteln (Art des Oldtimers, Alter, Marktwert und Zustand), während bspw. die Mannheimer/Belmot zusätzlich wissen will, ob das Fahrzeug getunt ist oder Umbauten hat, ob der Halter zur Miete oder im Eigentum wohnt und wie alt der jüngste Fahrer ist uvm. Wohlgemerkt: Nur, um den Beitrag zu berechnen.
Was so ziemlich alle Versicherer wissen wollen: Ist der Oldtimer ein/der Zweitwagen?
Man könnte meinen, diese Angabe sei relevant, weil der Gesetzgeber das für Oldtimer so vorsieht und man nicht im Alltag mit ihnen fahren darf. Tatsächlich heißt es in § 2 Nr. 22 Fahrzeug-Zulassungsverordnung aber nur: Oldtimer sind „Fahrzeuge, die vor mindestens 30 Jahren erstmals in Verkehr gekommen sind, weitestgehend dem Originalzustand entsprechen, in einem guten Erhaltungszustand sind und zur Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes dienen.“
Leider versäumt es der Gesetzgeber an dieser Stelle, die Sache mit der Pflege genauer zu erläutern bzw. zu definieren, er macht keine Vorgaben über Häufigkeit oder Intensität der Nutzung. Um genau zu sein: Er gibt noch nicht einmal vor, dass es genutzt werden soll.
Ein kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut, das überwiegend in der Garage steht und kaum im Straßenverkehr bewegt wird, allenfalls auf Messen und Treffen ausgestellt wird, hat meines Erachtens eher etwas von einem Museumsstück. Warum sollte ich es also anmelden, wenn ich nicht gedenke, es auf der Straße zu bewegen? Um meinen Mann zu zitieren: Fahrzeuge heißen Fahrzeuge, weil sie zum Fahren gemacht wurden. Wären sie zum Stehen da, hießen sie Stehzeuge.
Für Versicherer ist genau diese Einstellung offenbar ein Alptraum, wie Petra Koch von der Axa in der Oldtimer Markt 3/2019 sagt: „Insbesondere bei nach 1980 gebauten Fahrzeugen müssen wir darauf achten, nicht solche Exemplare in den Oldtimer-Bestand zu bekommen, die ganz normal genutzt werden.“
Was meint sie?
Die sogenannten Daily Driver, Alltagsautos eben, mit denen man zum Einkaufen, ins Büro und in den Urlaub fährt.
Ich schiele mal kurz auf meine Tabelle. Die Axa lag preislich mit 380,37 € knapp 10 % über dem Durchschnittswert und war 1,7 Mal so teuer wie der günstigste Anbieter zu vergleichbaren Bedingungen. Bei der Axa darf die Laufleistung maximal 8.000 km im Jahr betragen, für ein befürchtetes Alltagsauto verhältnismäßig wenig. Regelmäßige Leser meines Blogs wissen, wie sehr ich mich mit Wertungen zurückhalte, aber: In dieser Konstellation finde ich die Aussage bemerkenswert frech [potentiellen] Kunden gegenüber.
Da ich aber nicht gezwungen bin, mein Auto dort zu versichern, lasse ich das ganz einfach. Die meisten anderen Versicherer fragen übrigens auch ab, ob man im Alltag ein anderes Auto nutzt – und ich beantworte die Frage sehr gern ehrlich mit ja. Der Beigeschmack ist in diesem Fall nicht so fad wie das dazugehörige Statement der Axa.
Fakt ist: Der Gesetzgeber schränkt die jährliche Laufleistung nicht ein, die Begrenzung dient allein der Risikominimierung der Versicherungen.
So oder so drängt sich mir diesbezüglich allerdings die Frage auf: Wenn mein einziges Auto ein mobiles Kulturgut ist, das ich nach langem Abwägen und Suchen, ggf. Sparen oder in einigen Fällen auch durch Finanzierung erworben habe, das ich hege und pflege, warte und repariere – stelle ich mit diesem Auto eine größere Versicherungsgefahr dar als jemand, der mit seinem vierzehn Jahre alten runtergerockten Golf jeden Tag über die A40 von Duisburg nach Essen gurkt?
Oder anders: Wenn ich nur diesen Oldtimer besitze, auf den ich im Alltag angewiesen bin, passe ich darauf nicht mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser auf, als wenn ich zwei, drei oder fünf habe?
Jetzt könnte man meinen, die Fragen seien widersprüchlich. Warum sollte der Golf-Fahrer, der auch nur dieses eine Auto hat, nicht genauso gut darauf aufpassen, wie ich auf mein Klassikfahrzeug? Nun ja, einerseits schrieb ich bewusst „runtergerockt“. Eine Zustandsnote bei mittelalten Fahrzeugen will die Versicherung nicht wissen, da richtet man sich nach einem durchschnittlichen Zeitwert. Ob der Golf also im Vergleich nun eine glatte Note Eins bekäme oder nicht mal die nächste HU bestehen würde, ist den Versicherern bei Abschluss egal. Andererseits liegt der Fokus der zweiten Frage darauf, ob man vielleicht besonders degressiv und sicher fährt, wenn man eben nicht im Notfall auf einen Fahrzeugpool zurückgreifen kann, egal ob jünger oder älter. Aber das liegt wohl im Auge und Sicherheitsbedürfnis des Betrachters.
Ähm, Moment. Noch mal kurz zurück: Zwei, drei oder mehr Oldtimer?
Krösus winkt mit den roten Nummernschildern.
Keine Seltenheit in der Szene. Wer nun gleich an die Superreichen denkt, die edelste Sportwagen in Millionenhöhe sammeln, liegt vielleicht nicht verkehrt, es können aber auch „nur“ ein paar Citroen 2CV [besser bekannt als Ente] sein. Versicherer bieten für Sammlungen (meist ab 3 Fahrzeugen) gesonderte Tarife an, bei denen sich die Prämie nach dem leistungsstärksten Fahrzeug oder dem Gesamtwert oder anderen Benchmarks bemisst. Je nach Versicherer, Anzahl weiterer Fahrer [die eventuell zur gleichen Zeit mit einem anderen Auto fahren wollen] und Motorisierung lohnt sich die Überlegung, ob man tatsächlich ein H-Kennzeichen für jedes Fahrzeug nutzen will oder eben den Pool mit einem roten Nummernschild [auch bekannt als 07er Kennzeichen] versieht. Wer nur an Oldtimerveranstaltungen teilnehmen will, für den mag das eine Option sein, wer aber auch ein private Ausfahrt am Wochenende machen oder abends noch schnell zum Supermarkt möchte, riskiert ein Ordnungsgeld und schlimmer noch: die Aberkennung des Wechselkennzeichens.
Warum?
Wer ein rotes Nummernschild hat, zahlt nur für ein Fahrzeug Kraftfahrzeugsteuer [zur Zeit jährlich 191,-], egal, wie viele sich im Pool befinden. Der Betrag ist für die Fahrzeuge mit H-Kennzeichen derselbe, allerdings für jedes zugelassene zu entrichten. Die enge Nutzungsbeschränkung der 07er soll also zum einen einem Missbrauch der steuerlichen Vergünstigung durch den Gebrauch als Alltagsfahrzeug[e] vorbeugen. Zum anderen muss ein Fahrzeug mit 07er keine gültige Hauptuntersuchung haben. Wer sich damit im Straßenverkehr bewegt, sollte also einerseits sicher sein, dass er sich und andere nicht gefährdet und anderseits eben nur an den besagten Veranstaltungen damit teilnimmt. Kurzum: Rote Nummernschilder dienen gleichermaßen der Vereinfachung wie Risikominimierung, dürfen aber nicht zur ungerechtfertigten Bereicherung oder Vorteilsnahme benutzt werden.
Auf den Treffen rollen unter diesen Nummern häufig Fahrzeuge an, die im Jargon customized heißen. Mal mehr, mal weniger geschmackvoll verbastelt, mit [un]zeitgenössischen Umbauten, Hijackers und Rost, maximal laut, tief, breit, hoch – whatever. Die nicht vorhandene Notwendigkeit einer Straßenzulassung setzt dem Ideenreichtum mancher Autoenthusiasten keine Grenzen.
Aber: Es gibt auch genügend Fahrzeugbesitzer mit 07er, die jedes ihrer Autos in einem verkehrstüchtigen wie technisch einwandfreien Zustand erhalten und problemlos die Hauptuntersuchung bestehen würden. [Wie bspw. die oben gezeigte Corvette.]
Ob und wie viele Fahrzeuge man nun mit H- oder rotem Kennzeichen ausstattet, ist also einerseits eine Sache der persönlichen Einstellung und andererseits der Vertrauenswürdigkeit, die das Straßenverkehrsamt bei Erteilung eines 07ers nämlich auch prüft. So oder so: Ohne entsprechende Pflege und Wartung nagt schnell der Zahn der Zeit an den Schätzchen. Wer also auf ganzer Linie sicher sein und länger Freude an seinem historischen Vehikel haben will, lässt Rost und anderen Mängeln keine Chance.
Sie hat Rost gesagt! Sie ist eine Hexe, verbrennt sie!
Bis dass der TÜV uns scheidet. Oder die DEKRA. Oder so.
Jede Szene hat ihre Wissens-, Authentizitäts- und Technologie-Gurus, das ist bei den Reenactors nicht anders als im Kleingartenverein oder eben bei den Oldtimern. Jede Szene hat Unwörter, Floskeln und Running Gags.
Bei den einen ist es daher
„Gibt's da ne historische Quelle? Ist das authentisch?“, bei den anderen sollte man vorsichtig sein, das Wort Buchsbaumzünsler auszusprechen und so ist Rost eben eines der hinter vorgehaltener
Hand genannten Wörter unter Oldtimerliebhabern.
Und wie ich schon im Artikel über die Techno Classica 2019 schrieb, ist „Hat mich nie gestört!“ so ein Ausdruck, den man gerade beim Durchforsten von Verkaufsanzeigen und im Gespräch mit Anbietern sehr häufig hört. „Das bisschen Rost? Hat mich nie gestört.“ Es ist übrigens immer nur ein „bisschen“, selbst wenn man locker eine Wassermelone durchreichen könnte.
Die Steigerung davon ist unangefochten: „Hat den TÜV nie gestört.“
Nun ist „der TÜV“ eine juristische Person, die vertreten durch eine natürliche Person, den Prüfer, handelt. Wobei „der TÜV“ eine generische Verselbständigung ist, er wird synonym für die Prüforganisation benutzt, welche die Hauptuntersuchung im Sinne des § 29 StVZO durchführt. Dabei kann dies auch durch DEKRA, KÜS oder GTÜ stattfinden.
Ich differenziere an dieser Stelle etwas genauer, weil ich für diesen Artikel nämlich TÜV und DEKRA angeschrieben hatte, um endlich Die Gretchenfrage™ zu klären.
Bestehe ich die HU, wenn an tragenden Teilen geschweißt wurde?
Langweilt euch? Sorry, dann bitte einfach weiter unten wieder mit dem Lesen beginnen. Ich hielt das für eine spannende und berechtigte Frage, die mir bisher nämlich niemand von den [selbsternannten] Experten valide beantworten konnte. Aber der Reihe nach.
Bei leichter Korrosion machen sich die Wenigsten Sorgen. Flugrost lässt sich in der Regel leicht beheben und auch kleinere Stellen im Blechkleid können durch Fachpersonal gut ausgebessert werden. Nicht nur schwierig, sondern auch gefährlich wird es, wenn Korrosion Teile des Fahrzeugs befällt, die der Stabilität bzw. Sicherheit dienen. Es ranken sich Mythen und Legenden um geschweißte Rahmen[teile], deren Wahrheitsgehalt sich auf Seiten der Verbreitenden nicht prüfen lässt, wohl aber im Hinblick darauf, wie es sein sollte.
Hier also meine Anfrage im Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin Eigentümerin eines Oldtimers, Bloggerin und Autorin. Insofern treibe ich mich häufiger in einschlägigen Foren (motor-talk, Facebook-Gruppen etc.) herum und führe auch das ein oder andere Gespräch auf Oldtimertreffen sowie Messen.
Eine Sache wird dabei quasi jedes Mal zum Streitpunkt und ich würde das gern einmal von Ihnen etwas genauer wissen:
Darf am Fahrzeugrahmen/tragenden Elementen geschweißt werden oder ist damit die Aussicht, die HU zu bestehen, gleich null?
Ich muss Ihnen vermutlich nicht schreiben, was manche Diskussionsteilnehmer [angeblich] schon alles erlebt und "durch die HU gebracht" haben. Grundsätzlich ist mir bekannt, dass Rahmen und tragende Teile nicht stark an- oder gar durchgerostet sein dürfen. Wie aber steht es mit Reparaturen solcher Stellen durch nieten oder schweißen? Liegt das tatsächlich im Ermessen des Prüfers, wie manche behaupten, oder gibt es da eine Richtlinie, die Sie mir unter Umständen zugänglich machen können? Selbstverständlich gebe ich bei Zitaten (sofern gestattet) die Quelle an und verwende nur eigenes Bildmaterial.
Für Ihre Hilfe bedanke ich mich im Voraus und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Larissa Schwarz
Mein Mann grinste erst, winkte dann ab und meinte: „Mit der Beantwortung von solchen Anfragen verschwendet doch keiner seine Zeit. Die werden dich sicherlich nur auf ihre Broschüren und FAQ verweisen und dir nicht auf dem Silbertablett einen Blogbeitrag servieren.“
Nun ja, er ist Ingenieur, hat mit diversen Prüforganisationen zu tun und arbeitet im Qualitätsmanagement. Ich rechnete nach seiner Aussage daher nicht mehr mit Antworten und erforschte erst einmal auf eigene Faust die Bedingungen für die Erteilung einer Prüfplakette. Da ich das wenig aufschlussreich, aber dafür sehr ermüdend fand, widmete ich mich erst einmal dem oben dargestellten Versicherungsvergleich, bis ich eine Überraschung erlebte.
Auf dem Silbertablett kam dieser Abschnitt des Blogbeitrags zwar nicht daher, aber ein paar Tage später reichte man mir nett angerichtete, bekömmliche Quellenangaben, Informationen und Hinweise, um ihn fertigzustellen. Sowohl von DEKRA als auch TÜV erhielt ich Mail, in der sich zwei Ingenieure die Mühe machten, Licht ins Dunkel zu bringen und die eingangs gestellten Fragen zu beantworten.
Die übereinstimmende Kernaussage wird euch überraschen. Seid ihr gefasst?
Pauschal kann man das weder bejahen noch ausschließen.
Ich sehe beide Lager in den Foren jubeln und jedes für sich das Recht akklamieren, wie das bei salomonischen Urteilen nun mal so ist. Allerdings ist es trotzdem keine Win-win-Situation, denn eins ist so klar wie frisches 20W50: Es kommt auf den Einzelfall an.
Und auf den sind die Prüforganisationen vorbereitet. Unter anderem durch die Richtlinie für die Durchführung von Hauptuntersuchungen und die Beurteilung der dabei festgestellten Mängel an Fahrzeugen nach § 29, Anlagen VIII und VIIIa StVZO, herausgegeben vom Verkehrsblatt-Verlag, dem Amtsblatt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland.
Klingt hochoffiziell, ist es auch.
Diese Richtlinie basiert auf der EU-Richtlinie 2014/45/EU, die spätestens seit dem 20.05.2018 einheitlich in Europa Anwendung findet. [Wie immer gilt, dass nationales Recht zwar verschärfend wirken, aber EU-Recht nicht unterbieten darf.]
Der TÜV hat für die Beurteilung von Korrosionsschäden und deren Reparatur an Personenkraftwagen übrigens ein Merkblatt herausgegeben, das sich zwar in erster Linie an Fachpersonal wendet, aber auch dem geneigten Fahrzeughalter Aufschluss über Möglichkeiten und Anforderungen gibt.
Grundsätzlich sind daher also Schweißarbeiten nicht ausgeschlossen, aber an eine ganze Reihe Bedingungen geknüpft. Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht, und selbst wenn es gut gemacht ist, ist das noch keine Garantie dafür, dass das Fahrzeug weiter betrieben werden darf. Aber auch hier der Reihe nach.
Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich an meinem Rahmen schweiß.
„Bevor ich mein Auto in die Schrottpresse gebe, lass ich das schweißen und dann ist gut. Passiert doch nichts bei. Kumpel von mir hat nen Schwager, der macht das für ne Kiste Bier. Bisschen Unterbodenschutz drauf und der Prüfer merkt's nicht.“
Lese ich gefühlt auch wöchentlich, wenn in den o.g. Foren mal wieder die heißen Tipps ausgetauscht werden, wie man mit dem kraftfahrzeugtechnischen Kulturgut umgehen sollte. Wohlgemerkt: Keiner von denen hat je bewiesen, dass er es wirklich gemacht hat und damit durchgekommen ist. Warum sollte man auch Gefahr laufen, sich ins eigene Blech zu schneiden? Trotzdem kommt mir, mit Verlaub gesagt, die Galle hoch, wenn ich so etwas lese oder höre.
Wer so argumentiert, dem gehört meines Erachtens die Fahrerlaubnis entzogen oder zumindest untersagt, Halter eines Fahrzeuges zu sein.
Ja, seufzt ruhig und schüttelt mit dem Kopf, das naive Mäuschen weiß halt nicht, was harte Autoliebe ist und wie gut der Schwager von dem Kumpel schweißen kann.
Das naive Mäuschen weiß aber, dass sich mechanische Eigenschaften durch Schweißen verschlechtern und der ursprüngliche Zustand auch durch weitere Behandlung des Bauteils nicht wiederhergestellt werden kann. [Es nickt die Fachliteratur des Herrn des Hauses.]
Aber Prüfer sind bloß Spielverderber und Karosseriestahl ist gleich Karosseriestahl.
Klar. Für die Fahrzeughalter mit dem Pippi-Langstrumpf-Syndrom mag diese Weisheit stimmen. Vermutlich bewegen wir uns auch gleich in die Ecke der Verschwörungstheorien und behaupten, dass mit der Nicht-Erteilung einer Prüfplakette wegen korrosionsgeschwächter Bauteile nur der Verkauf neuer Autos angekurbelt werden soll. *Aluhüte verteilt*
Hinter dem, was ich oben einfach als „Prüfer“ bezeichnet habe, steckt ein*e Ingenieur*in, sprich: jemand, der ein abgeschlossenes Studium des Maschinenbaufachs, des Kraftfahrzeugbaufachs oder der Elektrotechnik nachweisen muss und darüber hinaus an einer mindestens sechs Monate dauernden Ausbildung teilgenommen hat, sowie die fachliche Eignung durch eine Prüfung zum Nachweis des erlernten Wissens entsprechend bewiesen hat.
Ganz schön viel Ausbildung für einen einfachen Spielverderber.
Mal unter uns, wer geht denn zum Sanitärinstallateur und lässt sich von diesem Opas Goldzahn einsetzen, weil der eigene Beißer Schrott ist?
Und selbst wenn es tatsächlich jemanden geben sollte, der so verrückt [huch, das zweite Mal eine Wertung vorgenommen …] ist; er riskiert damit allerhöchstens sein eigenes Leben und macht seine Angehörigen unglücklich. Übertragen auf die Teilnahme am Straßenverkehr … malt es euch selbst aus.
Aber, aber … der Kumpel hat an der Karosserie was schweißen lassen und damit die Plakette bekommen!
Angenommen, ich entdecke am Catalina eine Stelle am Rahmen, von der ich weiß, dass sie als verkehrsunsicherer Mangel eingestuft wird und die Stilllegung zur Konsequenz hätte. Ich zucke mit den Schultern, fahre mit dem Alltagsauto eine Kiste Bier kaufen, ziehe auf dem Anhänger den Catalina zum Schwager des Kumpels eines Freundes, lade alles dort ab und komme nach ein paar Stunden zurück, um das „reparierte“ Schätzchen wieder mitzunehmen und zur Hauptuntersuchung vorzuführen. Bisschen Unterbodenschutz drauf, Schmodder aus der Dose aufgesprüht, eine Runde um den Block gefahren und ab damit zur Prüfstelle. Plakette drauf und runter vom Hof. Passiert doch nichts.
Bei einem Gewicht von 1.800 kg, plus vollem 100-Liter-Tank und mit Höchstgeschwindigkeit von 198 km/h – ich überlege gerade, wie ich die Frage formuliere, damit sie wehtut, aber nicht flapsig wirkt.
Moment, bitte.
Wer will da in einen Unfall verwickelt sein? [Das genaue Szenario erspare ich euch jetzt. Dafür habe ich in meiner Laufbahn als Feuerwehrfrau zu viel gesehen. Dankt mir später.]
Wer will sich vor Gericht verantworten, weil der Schwager von dem Kumpel für ne Kiste Bier das Loch zugemacht hat? „Der hat auch die guten WSG 2 WIG Schweißstäbe genommen! Und Unterbodenschutz drübergepinselt. Ist bei der HU gar nicht aufgefallen, so gut hat der das gemacht.“
Trotzdem ist der vierfache Familienvater jetzt tot.
Ja, aber ...
Ja, aber es gibt auch Ausnahmen. Legale, gut gemachte, herstellerkonforme bzw. dem Stand der Technik entsprechende Ausnahmen. Und Stand der Technik bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, was an Technik gerade in der Werkstatt des Vertrauens rumstand. [Beim Deutschen Schweißverband für Technik e.V. gibt es diverse Merkblätter dazu, was genau Stand der Technik ist.]
Selbst wenn aber der handwerkliche Part zufriedenstellend erfüllt ist, kann es durchaus sein, dass andere Bedingungen gegen die Erteilung der Plakette sprechen.
What?
In der Mail der DEKRA wies man mich auf Folgendes hin: „Es gibt aber auch Fahrzeughersteller die jegliches Schweißen an deren Rahmen, durch nicht an diesen Hersteller gebundene Werkstätten bzw. Niederlassungen, grundsätzlich untersagen und bei erheblicher Korrosion und Materialschwächung den Austausch des gesamten Rahmens fordern.“
Das tut schon beim Lesen weh. Ischmöschtedasnischt. Im Hintergrund höre ich wieder die Verschwörungstheoretiker, aber blende sie gekonnt aus. Es geht um Sicherheit.
Nun kann man mit einigem Recht behaupten, dass so ein Auto immer auch etwas mit Unsicherheit zu tun hat und die Gefahr aufgrund von Masse mal Geschwindigkeit [plus hoch entzündlicher Flüssigkeit an Bord] auch gegeben ist, wenn das Fahrzeug in einwandfreiem Zustand ist. Aber der Unterschied liegt im Prinzip der Risikominimierung.
Was ist denn, wenn ich ein sehr exotisches Modell oder ein Automobil aus der Anfangszeit fahre und keinerlei Unterlagen existieren?
DEKRA erläuterte dazu: „Nun ist es grade bei einigen Oldtimern relativ schwer ggf. noch mit dem Hersteller oder einem aussagekräftigen Rechtsnachfolger in Kontakt zu treten [...]. Bei Instandsetzungen von Fahrzeugrahmen kommt es nicht nur auf die richtigen Materialien und Querschnitte an, sondern wichtig, ist auch an welchen Stellen z. B. eine Verstärkung möglich wäre, ohne dass die Steifigkeit bzw. die definierten Möglichkeiten des Rahmens, sich zu verwinden, beeinträchtigt oder unzulässig verändert wird. Ein Fahrzeugrahmen hat unterschiedliche Belastungszonen und Kraftangriffspunkte. Durch falsche Reparaturen kann ein Rahmen relativ schnell reißen oder gar brechen.“
Da hatte ich dann schwarz auf weiß, was mir der gesunde Menschenverstand eigentlich schon die ganze Zeit verraten hatte.
Wie bereits oben erwähnt, hatte ich die Zeit bis zur Beantwortung meiner Frage durch DEKRA schon für eigene Recherchen genutzt und bin dabei auf eine interessante, wenn auch etwas ältere Präsentation zum Thema „Höherfeste Stähle für die Karosserie“ gestoßen, die ganz großartig unterlegt, wieso die Herstellervorgaben und genaue Materialkunde so wichtig sind [u.a. Seite 7].
Im Zuge dessen sollte nicht unerwähnt bleiben, dass wer schweißt, sich darüber im Klaren sein muss, dass dadurch die Allgemeine Betriebserlaubnis [ABE] des Fahrzeugs erlischt. So auch, wenn „am Rahmen durch Schweißen etwas verändert wird. Das Wiedererlangen der BE kann dann nur als Einzelabnahme bzw. eine Begutachtung zur Erlangung einer Einzelbetriebserlaubnis nach einer Technischen Änderung gemäß § 21 StVZO i.V.m. § 19 Abs. 2 StVZO erfolgen. Solche Abnahmen können nur durch speziell dafür qualifizierten Mitarbeiter eines Technischen Dienstes oder amtlich anerkannte Sachverständige einer Technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr (TP) durchgeführt werden.
Grundsätzlich ist es empfehlenswert, vor Änderungen an Fahrzeugen oder Reparaturen, die das übliche Maß übersteigen, auch Rücksprache mit den Prüfern bzw. Sachverständigen zu halten, die letzten Endes ohnehin irgendwann das Ergebnis zu sehen bekommen sollen. Gern gibt man an den Fahrzeugprüfstellen diesbezügliche Auskünfte, und im Vorfeld könnten die fachlichen Tipps und rechtlichen Hinweise ggf. einfach beachtet und befolgt werden.“ [ DEKRA.]
Mindestens haltbar bis: siehe Bodenblech.
Und manchmal … ja, manchmal wird die Betriebserlaubnis auch nicht wieder erteilt. Dann war die Fahrt zur Hauptuntersuchung die letzte auf den vier eigenen Rädern.
Eine Statistik habe ich dazu nicht auftreiben können, aber mit ein bisschen Dreisatz immerhin einen Näherungswert ermittelt.
Dazu habe ich die Statistik des TÜV für 2018 angesehen und auf die Anzahl der Klassik-Fahrzeuge umgelegt. Vielleicht keine ganz korrekte Rechnung, aber wenn ca. 1 % aller Fahrzeuge in Deutschland Oldtimer sind (ca. 47 Mio zugelassene, davon ca. 400.000 Oldtimer) und sie ebenso häufig stillgelegt werden wie andere Autos, macht das 50 pro Jahr beim TÜV. Rechnet man nun hoch, dass der TÜV ungefähr 1/3 aller Hauptuntersuchungen durchführt, DEKRA ein weiteres und der Rest zusammen das restliche Drittel, werden jährlich grob geschätzt 150 Oldtimer in Deutschland stillgelegt.
Lass diesen Kelch an mir vorübergehen.
Hand aufs Herz, das wünscht sich niemand. Natürlich schmerzt es, wenn man sich von einem emotional behafteten Gegenstand trennen muss. Den geliebten Oldtimer auszuschlachten und/oder ihn an die Schrottpresse auszuliefern, verursacht sicherlich ein hartnäckiges Herz-Hirn-Trauma.
Ich erinnere aber hier an § 1 StVO. „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“
Das gilt auch für die Fahrtauglichkeit und Verkehrssicherheit des Vehikels, welches ich zu bewegen gedenke, ob nun auf mich zugelassen oder nicht. Keine Ausnahme. Kein Aber.
Aber … aber … In Amerika fahren die aber alle so rum!
The grass is always greener on the other side. In der Träume Wagen 03/19 las ich einen Artikel von Sönke Priebe, seines Zeichens Chef von Oldschool Custom Works in Weinstadt, der sich ebenfalls dem Thema HU widmete, wenn auch von anderer Seite näherte. Darin ging es vornehmlich um Umbauten am Fahrzeug und durch US-amerikanische Filme inspiriertes Tuning, bei denen sich jedem Prüfer in Deutschland die Nackenhaare aufstellen müssten.
Der Running Gag, den er wöchentlich von Kunden zu hören bekommt: „In Amerika fahren die alle so rum!“
Sönke Priebe benutzt ein simples wie einleuchtendes Beispiel, um dieses Pseudo-Argument zu entkräften: In Amerika verlangt auch nicht jeder Bundesstaat eine Fahrerlaubnis für jede Art von Fahrzeug.
Will heißen: In einer föderalistischen Republik, in der nicht einmal gleiche Bestimmungen zum Erwerb der Fahrerlaubnis herrschen, also schon grundlegende Elemente der Teilnahme am Straßenverkehr nicht einheitlich geregelt sind, kann man auch keine gewissenhafte und auf Stand der Technik fundierte Gesetzgebung sowie Einhaltung und Überwachung dieser erwarten. Von der Sache mit der Helm„pflicht“ und der fehlenden Hauptuntersuchung mal ganz abgesehen. Die Unfallstatistiken sprechen für sich.
Für gewöhnlich rate ich den Menschen, die es anderswo besser finden, ihren Lebensmittelpunkt doch dorthin zu verlagern. Seltsamerweise sind die meisten plötzlich auf dem Ohr taub, spätestens aber dann, wenn man mal hinterherschiebt, dass es in den USA keine gesetzliche Krankenversicherung wie bei uns gibt.
Man muss kein Fan von EU-Richtlinien sein, sicherlich sind einige davon auch unsinnig, wie bspw. die inzwischen wieder abgeschaffte Gurkenverordnung. Man sollte aber ehrlich zu sich selbst sein und sich fragen, ob der ausgeprägte Drang nach Individualisierung und das „um jeden Preis auffallen Wollen“ es wert sind, unter Umständen andere damit in Gefahr zu bringen.
Spoiler: sie sind es nicht!
Ich werde nie ein Auto fahren, das keine HU hat.
In Anbetracht der bisher von mir getätigten Aussagen unter „ich werde nie“ und meiner Einhaltung bisher, ist diese These schon fast gewagt. Und wie im Artikel von Sönke Priebe beschrieben, ist manchmal [in wenigen Fällen] eine erteilte HU nicht das, was sich der Gesetzgeber unter Zulässigkeit vorstellt. Ob ich in so ein Auto einsteige, entscheide ich aber immer noch selbst. Es sei denn, ich [er]kenne die Stolperfallen nicht.
Wo sie mir aber offen präsentiert werden, wie neulich auf einem US-Car-Treffen, als es um eine Corvette C3 ging und wo auf freundliche Nachfrage, ob die Teile denn eingetragen wären und ob ich bei Kaufinteresse bitte mit dem Endoskop den Birdcage untersuchen dürfte, einfach nur abgewunken wird, da ziehe ich eine Probefahrt nicht mehr in Erwägung. Da kommt dann wieder dieses Sicherheitsbedürfnis in mir hoch …
Wer in Deutschland trotz unzulässiger Umbauten, „Reparaturen“ oder Leistungsverbesserungen durch die Hauptuntersuchung rutscht, mag sich auf die Schulter klopfen und im Glück wähnen; wer vor der HU Teile an- oder abmontiert und den ursprünglichen Zustand wieder herstellt, sobald er die Plakette hat, mag sich für gewieft halten, im Grunde genommen hat er aber einfach nur beschissen. [Ich bitte um Verzeihung für dieses harte Wort.]
Ich kann daran nichts Glorreiches und Tolles erkennen, wenn man der eigentlich fundierten Ausbildung von denen, die für die Überwachung der Sicherheit zuständig sind, ein Schnippchen schlägt. Oder sich beleidigt zeigt, wenn die Polizei ein Fahrzeug wegen Sicherheitsbedenken aus dem Verkehr zieht. Oder die Meinung vertritt, mit einem 07er Kennzeichen sei alles erlaubt. Darauf mag ich aber nicht weiter eingehen, denn ich sehe euch den Kopf schütteln und sagen:
Es sind nicht alle so!
Jap. Und das ist auch gut so. Ich behaupte sogar kühn, dass eher alle in der Oldtimerszene verantwortungsvoll handeln und fahren, schließlich macht die ganze Sache umso mehr Spaß, desto geringer das Risiko dabei ist.
Was ich ebenso an dieser losen Gemeinschaft mag, ist der Zusammenhalt; man hilft sich, berät sich und geht freund[schaft]lich miteinander um. Hey, ich wurde mit meinem Catalina sowohl schon von 911ern, Rolls Royce, Käfern und Enten gegrüßt, das nenne ich mal gegenseitige Wertschätzung. Und mit dieser möchte ich den [zugegeben recht langen] Artikel auch schließen.
Mein großer Dank gilt dem Team von DEKRA, das mir die entsprechenden Stichworte geliefert, umfassend Vorgehensweisen sowie Grundlagen erläutert und Hinweise zur weiteren Recherche gegeben hat.
Und danke an alle, die die kleinen Seitenhiebe und Erfahrungsmomente nicht als Nestbeschmutzung, sondern als aufmerksame Beobachtung und Plädoyer für sicherheitsorientiertes Denken sowie Handeln ansehen.
Merci beaucoup.
Alle Verlinkungen innerhalb dieses Artikels sollen eine Erklärungs-Erleichterung für den geneigten Leser sein, mögen aber nicht als Werbung verstanden werden. Diesen Beitrag habe ich aus reinem Eigeninteresse verfasst und er ist ausschließlich redaktioneller Natur.
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Rainer Kiesinger (Freitag, 24 Mai 2019 20:34)
Kompliment für die, wie ich finde, gelungene Balance zwischen lockerem, amüsanten Sprachstil und dabei immer anspruchsvoller und dem Thema angemessener Faktentreue. Ich bin seit ca. 25 Jahren an der "Front des Prüfwesens" tätig und kann dem Gesagten kaum etwas hinzufügen oder entgegenstellen, außer vielleicht der Tatsache, dass die Halter historischer Fahruruge i.d.R. überproportional fürsorglicher den Erhaltungszustand ihrer Lieblinge pflegen und von daher eine lineare Hochrechnung zur zwangsweisen Außerbetriebsetzung eher nicht zielführend ist. Gleichwohl wurden die heute 30-40 Jahre alten Alltagsboliden der 80er und 90er sehr oft reparturgeschweißt und das nicht immer fachgerecht, z. T. nIcht einmal sachgerecht. Kurzum danke an den gelungenen Beitrag, der vielleicht dem Einen oder Anderen zum Nachdenken über Sicherheit anregt. Weiter so!
Larissa Schwarz (Freitag, 24 Mai 2019 23:19)
Lieber Herr Kiesinger, vielen Dank!
Ich arbeite noch daran, die Zahl zur Außerbetriebsetzung zu validieren bzw. verifizieren, es wird dazu beizeiten ein Update geben. Danke für die Einschätzung/Expertise dazu!
Herzliche Grüße,
Larissa Schwarz