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Quo vadis, Dinslaken?

Bild zeigt die Baustelle Kathrin-Türks-Halle mit Kran und Gerüst, am rechten Rand das Rathaus und den Stadtpark.
Under Construction. Symbolbild für die Baustellen der Stadt.

 

Quo vadis, Dinslaken?

Ein lösungsorientierter kommunalpolitischer Rundumschlag.

  

 

Ich hole etwas aus, um euch da abzuholen, wo ich euch das letzte Mal habe stehen lassen.

 

 

Im Mai 2018 veröffentlichte ich zwei Artikel zur Umgestaltung des Bahnhofs[vor]platzes in Dinslaken, „Ich versteh nur Bahnhof“ und „Wir Kinder vom Bahnhof Dinslaken“. Kurz zusammengefasst ging es darin um die unterschiedliche Wahrnehmung von Planung und Bedürfnissen bei Stadtverwaltung und Bürgern, was zu einem Bürgerentscheid führte, der letztlich am Quorum scheiterte. Völlig losgelöst von den Wünschen und Plänen aber besteht nach wie vor die Auflage, den Bahnhofsplatz bis 2021 barrierefrei werden zu lassen.

 

 

Vor ein paar Tagen, also gut dreizehn Monate später, fand ich mich wieder am Bahnhof ein, um mir das Ganze wieder anzusehen. Ein solches Großprojekt will ja nicht nur gut geplant, sondern auch zeitig begonnen werden. Man könnte jetzt meinen, dass ich also eine entsprechende Baustelle vorfand. Aber, Freunde der gepflegten Götterspeise, ich kann euch beruhigen, es war alles beim Alten. Kein Bagger, keine Materialhaufen, keine Absperrung und kein Presslufthammer. Und erst recht keine Veränderung.

 

 

Nun ist der Niederrheiner an sich ja jemand, der Veränderungen nicht unbedingt besonders doll mag, der Dinslakener ist aber eben nicht nur Niederrheiner, sondern auch Ruhrgebietler. Malocher. Macher. Und er weiß: Von nix, kommt nix.

 

Eigentlich würden wir hier gern über Projekte wie den BER, die Elbphilharmonie und Stuttgart 21 lachen und mit dem Finger auf diese Städte zeigen, so wie es der Rest der Nation macht. Wir sind aber etwas zurückhaltender, denn schließlich haben wir hier auch so ein paar Projekte, deren Entwicklung nicht den geplanten Verlauf nimmt. Die Kathrin-Türks-Halle (auch bekannt als Stadthalle) wird ungefähr anderthalb mal so teuer wie geplant und soll nach dreijähriger Schließung im Jahr 2020 wieder für Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Das Thema Bäderlandschaft macht der unendlichen Geschichte Konkurrenz und für die Umgestaltung des Areals an der Trabrennbahn sehen bereits auch die ersten Bürger schwarz, obwohl sie dort lieber Grün erblicken würden. Nebenkriegsschauplätze sind aktuell die Finanzierung der Straßenbahnlinie 903, die Erschließung des Hamco-Geländes [Mehrzweckhalle] und die Straßenbaubeiträge, zu denen ich bereits einen Beitrag verfasst habe.

 

  

Alles scheiße, deine Elli.

 

  

Man könnte nun meinen, dass bei all diesen Um- und Missständen, der gemeine Dinslakener nun die Ärmel hochkrempeln und in die Hände spucken würde, um es dann selbst zu regeln. Immerhin bestimmen die oben angeführten Themen immer mal wieder die Diskussionen auf Facebook, in der Stadt, in den lokalen Medien, auf dem Markt und im Freundeskreis. Auf der anderen Seite haben wir aber auch so viele schöne Seiten und Angebote in der Stadt, dass wir gnädig darüber hinwegsehen und den Dingen ihren Lauf lassen.

 

Es ist die rheinische Mentalität, die da mitschwingt: Et kütt wie et kütt. Et hätt noch emmer joot jejange. Wat wells de maache?

 

 

Wir machen in diesem Moment einen Schlenker, bevor ich auf die letzte dieser Fragen noch näher eingehe, und werfen einen Blick auf ein paar Ansichten aus Dinslaken und Umgebung, die ich zu diesem Thema bei Facebook eingesammelt habe. Ich bat darum, mir jeweils eine Sache zu nennen, die an Dinslaken besonders toll ist und einen negativen Punkt. Meine kleine Umfrage ist nicht repräsentativ; es beteiligten sich 25 Menschen, davon 9 Männer und 16 Frauen im Alter von 26-73, davon zwei Personen, die außerhalb von Dinslaken wohnen, aber hier ihren regelmäßigen Aufenthalt haben.

  

Fangen wir mit dem an, was die Dinslakener an ihrer Stadt besonders schätzen. Da wären die Kunstszene, das kulturelle Leben und insbesondere das Fantastival. Das ehrenamtliche Engagement der Bürger wurde hervorgehoben, ebenso die Meinungs- und Mitteilungsfreude der Menschen hier. Mehrfach nannten die Befragten, dass sie die Natur in Dinslaken sehr schätzen und sich dort gern aufhalten und erholen. Auch das Sportangebot und die Einkaufsmöglichkeiten wurden gelobt, ebenso die Ruhe/Idylle bei guter Anbindung an die Metropole Ruhrgebiet.

  

Überraschenderweise taten sich einige Teilnehmer schwer, etwas Negatives zu benennen, andere wiederum konnten sich kaum entscheiden, was genau sie denn nun am meisten stört. Häufiger genannt wurde der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV), der durch seine nicht aufeinander abgestimmten Fahrpläne und die Taktung in die Kritik geriet. Hier wünschten sich mehrere Personen Verbesserungen, auch der Dinslakener Bahnhof wurde in diesem Zusammenhang genannt. Besonders traurig waren mehrere Befragte aber über den Umgang miteinander, speziell in den sozialen Medien, aber auch im realen Leben; es mangele an Respekt, gegenseitiger Wertschätzung und Toleranz. Die von einigen als positiv aufgefasste Meinungsfreude wurde von anderen als Nörgelei und Meckerei bezeichnet, welche die Motivation sich zu engagieren klein hielte. Kritisiert wurden auch die oben bereits genannten Projekte der Stadtentwicklung unter den Aspekten mangelnder Rücksichtnahme auf den Bürgerwillen, Prestigedenkens und der Kostenfrage. Es mangele an innovativen Konzepten und Lösungen.

  

 

Und du, Brutus?

   

Müsste ich meine eigene Umfrage bedienen, würde ich auf den Beitrag zu „1 von 5 Millionen“ verweisen, für den ich seinerzeit gefragt wurde, was ich an Dinslaken so mag. Sinngemäß lautete meine Antwort, dass ich es genieße, hier von allem etwas zu haben. Wenn ich aus der Haustür gehe und links abbiege, bin ich mitten im Rotbachtal, das zum Naturschutzgebiet Hohe Mark zählt, und zum Entspannen einlädt. Wähle ich die andere Richtung bin ich in der Metropole Ruhr, die gleichermaßen zeitenwandelnder Industrie-Moloch wie zukunftsvisionärer Hot-Spot ist. Groß genug, um darin zu verschwinden, klein genug, um den Überblick zu behalten.

  

Was mir sauer aufstößt, ist das problemorientierte Denken und Handeln vieler Beteiligter, seien es Bürger, Politiker oder Vertreter der Verwaltung. Wir suchen zwar stets nach Lösungen, denken aber die wenigsten zu Ende bzw. versuchen nicht, mögliche Lösungen vom Ende her aufzuziehen, sondern verzetteln uns auf der Wegfindung dorthin, weil keine klare Interessenlage ermittelt wird. Es gibt unter uns genügend Menschen mit Know-how, Tatendrang und Ideen, die inzwischen aber schon keine Lust mehr haben, sich einzubringen, weil sie es für aussichtslos halten. Ein Teufelskreis.

  

Et es wie et es. Aber: Et bliev nix wie et wor. Die Stadt ist unaufhaltsam im Wandel. Und das ist zu begrüßen! Kommen wir daher wieder zurück auf die Frage, die ich weiter oben bereits angedeutet habe:

  

Was willste machen?

 

In dreizehn Monaten sind Kommunalwahlen, das heißt, wir Bürger wählen einen neuen Stadtrat und einen [neuen] Bürgermeister (m/w/d – im Folgenden nur noch Bürgermeister genannt, wer mehr über meine Einstellung zum Gendern erfahren möchte, klicke bitte hier).

 

Wir haben es also in der Hand, etwas zu ändern, ohne dass wir großartig tätig werden müssen. Ein paar warme Gedanken, ein paar Kreuze, ein paar Jahre Ruhe.

 

Aber wo führt dieser minimale Aufwand hin? Zu maximalen Ergebnissen aller Voraussicht nach nicht. Und schon gar nicht zur Erfüllung urbaner Wünsche.

 

Auf diese und einige damit verbundene kommunalpolitische Themen gehe ich im weiteren Verlauf dieses Artikels ein. Schade um diejenigen unter Ihnen, die ich bereits bei „kommunalpolitisch“ verloren habe. Ich hätte es ja auch lieber „uns alle betreffenden Scheiß, den wir finanzieren“ genannt, aber das kommt sprachlich nicht so gut. Sorry.

 

Wen ich jedoch einfangen konnte, begrüße ich hiermit zur Beantwortung der Frage:

 

 

 

Nun sag', wie hast du's mit der Stadtentwicklung?

 

Wir sind [noch] nicht DAS Ruhrgebiet, auch wenn wir uns so identifizieren. Dinslaken liegt im Speckgürtel dieser Fünfmillionenstadt, welcher osmotisch wie eine semipermeable Membran funktioniert. Er lässt Menschen, Ideen, Einflüsse durch und filtert den Stress und die Hektik der Großstadt heraus. Was viele Vorteile mit sich bringt, birgt auch ein Problem, mit dem wir hier immer wieder zu kämpfen haben: Wir verlieben uns in den Gedanken, so sein zu können wie Essen, Düsseldorf und Köln. Die Vorzüge der Städte, die so schnell erreichbar und so beneidenswert sind, zu uns zu holen, alles in unserer kleinen, kreisabhängigen Stadt zu vereinen. Es ist alles so nah und greifbar. Dass wir hier aber nur 67.489 Menschen auf 47,66 km² sind, blenden wir dabei ganz gerne mal aus.

 

 

Mit wem sollten wir uns denn lieber vergleichen?

 

  

Ich mag uns Dinslakenern keinen Größenwahn unterstellen, da verstehen wir uns bitte richtig. Es ist eine gute Eigenschaft, sich Vorbilder zu suchen, Ideen zu adaptieren und Best-Practise-Ansätze zu übernehmen. Wenn man aber betrachtet, an wem wir uns dabei aus Gründen örtlicher Nähe orientieren, wird deutlich, warum der Hase da im Pfeffer liegt.

 

Zieht man die aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik heran, kann man eine kleine Gruppe bilden, in der Dinslaken in annähernd vergleichbarer Gesellschaft ist.

 

Ich bitte um einen Trommelwirbel!

 

  

Wir sind nicht allein!

 

 Um es übersichtlich zu halten, habe ich eine Peergroup mit insgesamt fünf Städten erstellt. Dabei sollten die absoluten Einwohnerzahlen recht nah beieinander liegen und auch die Fläche annähernd vergleichbar sein. Wir sind in Dinslaken verhältnismäßig viele Menschen auf wenig Raum, es bleibt also wenig Platz zu expandieren. [Der bundesdeutsche Mittelwert liegt übrigens bei 232 Einwohnern/km².]

 

 

 

 

Einwohner

Fläche in km²

Einwohner/km²

Bamberg

77.179

54,62

1413

Dinslaken

67.489

47,66

1416

Herten

64.599

50,85

1271

Rosenheim

63.080

37,22

1695

Sindelfingen

61.669

37,33

1652

 Es handelt sich hierbei um die Zahlen des Statistischen Bundesamts zum 31.12.2017, aktuelle Zahlen weichen unter Umständen davon ab, so weist die Stadt Dinslaken auf ihrer Homepage derzeit 70.697 Einwohner aus.

 

 Sehen wir uns diese Städte zunächst etwas genauer an.

 

  

Bamberg

 

In einer bayrischen Bierregion gelegen, sind Bosch und die Touristik die größten Arbeitgeber der kreisfreien Dom- und Universitätsstadt, die ein Bruttoinlandsprodukt von 4,462 Mrd. Euro erwirtschaftet. Es gibt insgesamt vier Bäder, Straßenbaubeiträge werden nicht erhoben, den Bürgermeister stellt die SPD.

 

Was die Bürger hier aktuell bewegt: Mietpreisexplosion (1), (2), Stellenabbau bei Bosch, Bau einer weiteren Moschee und Mobilität (1), (2).

 

  

Dinslaken

 

Dinslaken ist eine kreisangehörige Stadt am Rande des Ruhrgebiets und weist eine vielschichtige Wirtschaftsstruktur auf. Das BIP wird nicht gesondert ausgewiesen. Die Stadt hält eine Beteiligung von 95 % an den Stadtwerken Dinslaken GmbH, welche das Hallenbad und das vorläufig geschlossene Freibad betreiben. Straßenbaubeiträge werden nach § 8 KAG NRW erhoben, der Bürgermeister ist Mitglied der SPD.

  

 

Herten

 

Herten liegt ebenfalls im Ruhrgebiet und ist kreisangehörig. Große Arbeitgeber sind die Kirchen und Sozialverbände, die auch hier den Strukturwandel mit aufgefangen haben, aktuell positioniert sich die Stadt im Bereich alternative Technologien. Straßenbaubeiträge werden nach § 8 KAG NRW erhoben. Das BIP wird nicht gesondert ausgewiesen.Die Hertener Stadtwerke GmbH (hundertprozentige Stadttochter) betreiben ein Spaß- und ein Hallenbad, der Bürgermeister wird von der TOP-Partei gestellt, war bei seinem Amtsantritt aber parteilos.

 

Aktuelle Themen hier: drohende Schließung von Herta, Einkommenszuwachs und die Planung des Einkaufs- und Dienstleistungszentrums „Forum Herten“.

  

 

Rosenheim

 

Rosenheim profitiert von seiner touristisch bevorzugten Lage in Bayern und der Nähe zu München, es erwirtschaftete 2016 ein Bruttoinlandsprodukt von 3,091 Milliarden Euro. Als wichtige Einkaufsstadt für die Region und Zentrum der Holzbranche verfügt Rosenheim über ein Hallen- und ein Freibad, betrieben von den Stadtwerken Rosenheim GmbH & Co. KG. Die Bürgermeisterin besitzt das Parteibuch der CSU. Rosenheim ist kreisfrei und es gibt keine Straßenbaubeiträge.

 

Lokal momentan in der Diskussion: Wohnkosten, Stadtentwicklung und Konjunkturabfall.

  

 

Sindelfingen

 

Sindelfingen liegt in Baden-Württemberg und hat lokal als größten Wirtschaftsfaktor die Mercedes-Benz-Werke. Die Stadt ist mit 37,4 % an den Stadtwerken beteiligt, es gibt zwei öffentliche und ein Schul- und Vereinsbad, der Bürgermeister wird von der CDU gestellt. Die Stadt ist kreisfrei und es gibt keine Straßenbaubeiträge. Das BIP wird nicht gesondert ausgewiesen.

 

Was die Sindelfinger aktuell bewegt: Einbruch der Gewerbesteuer (1), (2), Sindelfingen rockt und lokalpatriotische Beschilderungen.

 

  

Ja, und?

 

 In Bamberg und Rosenheim wird bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware. Dort, sowie in Sindelfingen, allesamt Städte, die in den letzten Jahren durch ihr jeweils hohes BIP und die blühende Konjunktur beeindruckten, erlebt man nun einen Einbruch der Steuereinnahmen. Die Wachstumskapazitäten sind am Limit, das Ende der Fahnenstange ist nah. Um große Arbeitgeber haben sowohl Bamberg als auch Herten zu kämpfen. Unzufriedenheit mit der Stadt- und Raumentwicklung eint die Bürger aller oben aufgeführten Städte.

  

Die Quintessenz: Ob es einer Stadt finanziell besser oder schlechter geht, beeinflusst die Lebensqualität ihrer Bürger nicht automatisch direkt. Schuldenfreie Städte werden zu Magneten für Ansiedlung, was letztlich aber die Wohnraumkosten in die Höhe schnellen lässt. Monokulturen in der Wirtschaft führen dazu, dass ganze Städte und Regionen in eine Abhängigkeitsfalle geraten und bei schlechter Konjunktur in die Krise. Liebe Dinslakener, das haben wir gerade hinter uns, wir erinnern uns kurz an den Bergbau, die Energiewende und den Strukturwandel. Inzwischen sind wir breiter aufgestellt, aber bei uns sind die Wohnkosten fast so hoch wie die städtische Verschuldung. Trotz hoher Gewerbesteuer und mit nur einem funktionierenden Schwimmbad.

 

 Diejenigen, die mehr sportlich nutzbare Wasserfläche für unsere Stadt fordern, werden sich wahrscheinlich durch den kleinen Vergleich bestätigt sehen. Da ich hier und heute nicht auf alle Herausforderungen eingehen kann, bitte ich den geneigten Leser um Geduld, da ich mich bereits auf den nächsten Blogartikel vorbereite, der sich unter anderem mit folgenden Punkten befasst:

 

 

  • Was ist ein Bürgerbad, wie entsteht es, wie funktioniert es, was kostet so was?

  • Sind die Stadtwerke Dinslaken GmbH optimal aufgestellt und leistungsfähig?

  • Soll die Stadt allein dem Bürgerwillen folgen, nur aus finanzpolitischen Aspekten heraus agieren oder zukunftsgerichtet planen, entscheiden und handeln?

     

[Hier haben mich übrigens während der Arbeit an diesem Artikel die Geschehnisse eingeholt und ich werde den geplanten umstrukturieren. Es wird also etwas dauern, bis ihr ihn zu lesen bekommt.]

 

 

 

Zurück zur Eingangsfrage dieses Artikels: Wohin gehst du, Dinslaken?

 

 

Für den Wohnraumbedarf bis 2030 hat die Stadt Dinslaken eine schicke Broschüre aufgelegt, die sich im Wesentlichen am „Handlungskonzept Wohnen Stadt Dinslaken“ ausrichtet und durch die Blume flüstert: Es wird verdammt teuer hier. Und eng.

 

Oben erwähnte ich bereits die Weiterentwicklung des Areals Trabrennbahn, das ab 2022 zu einem „identitätsstiftenden Wohnquartier“ für eine „große Bandbreite an Einkommens- und Bevölkerungsgruppen“ werden soll. [Zitat aus dem Vorhaben der Flächenentwicklungsgesellschaft.]

 

Wir Bürger sind aufgefordert, uns aktiv in den Entwicklungsprozess einzubringen. Wer jetzt aber glaubt, dass wir die Chance hätten, uns einen Central oder Hyde Park zu wünschen, ein Tropical Island mitten in der Stadt oder eine hochmoderne Reha-Klinik, irrt. Wir dürfen abstimmen, welche von den vorgegebenen Grundsätzen die wichtigsten sind und wie das Logo der Projektentwicklung aussehen soll. Es lebe die Demokratie!

 

[Man verzeihe mir bitte, dass ich hier gerade dem Zynismus anheimfalle, aber es ist anders nicht zu ertragen, wie sinnlos hier einerseits GmbH gegründet werden, um am Rat der Stadt vorbei den Haushalt zu belasten, und obendrein den Bürger zu Brot und Spielen (vermeintliche Mitbestimmung) einzuladen, damit man sich nicht vorwerfen lassen muss, dass man komplett eigenmächtig gehandelt hätte. Ernstgemeinte Beteiligung sieht anders aus und auch aus dem fröhlichen „Lassen Sie uns wissen, wie Sie das Areal nutzen, was Ihnen besonders wichtig ist und warum.“ (Zitat aus den FAQ der Flächenentwicklungsgesellschaft) wird bei genauerem Hinsehen eine Farce, da alle Ausführungen nahelegen, dass es nicht ohne den geplanten Wohnraum geht.]

 

Denken innerhalb von Direktiven

 

 

Statt also wirklich Ideen zu wälzen, frischen Wind in die Stadt [im Grünen, ha-ha-ha-ha] zu lassen und den Dinslakenern mehr von dem zu geben, was sie schätzen (ich erinnere: Natur, Erholung, Kunst, Kultur), quetscht man einfach noch ein paar Hundert bis tausend Menschen in die Innenstadt, der ohnehin schon der PKW-verursachte Verkehrskollaps droht. Aber mit Wohnungen lässt sich Geld verdienen, mit einer Parkanlage nicht. Wo die Lebensqualität außerhalb der eigenen vier Wände für die vielen neuen Anwohner herkommen soll, steht übrigens im Kleingedruckten. Für die Martini-Kirmes und den Trödelmarkt wurde allerdings noch immer keine Ausweichfläche gefunden bzw. bekannt gegeben. Aber da darf sich der Bürger gern einbringen … solange er nicht die Innenstadt als ur-alten neuen Standort vorschlägt.

 

 

Wo wir gerade beim Thema Innenstadt sind ...

 

 

Schockschwerenot, die Innenstadt ist tot. Lang lebe die Innenstadt.

 

 

Nun ja, Totgesagte leben bekanntlich länger und auch zum Thema Neutor Galerie (NG) habe ich mich bereits ausgelassen.

 Um die Einkaufsstraße und angrenzende Gewerbeimmobilien ist es aktuell nicht sonderlich gut bestellt, leere Läden reihen sich inzwischen aneinander, in der NG hat es zuletzt auch einige Schließungen gegeben (Bäckerei Karl durch Insolvenz, T-Shirtladen, Desigual, Schuhgeschäft).

 

 

 /Meinung/

 

Ich hatte mir vorgenommen, so wenig Meinung wie möglich in diesen Artikel einzubringen, bin aber jetzt an einem Punkt, an dem ich einfach auch einmal loswerden muss, wie unsäglich gruselig ich diese Kunsthandwerkbutze im 1. OG finde, dass mein einziger Angstraum in Dinslaken das Kinderkino in der NG ist, und dass die zweite Rolltreppe eine Fehlentscheidung zu Ungunsten von Rollstuhlfahrern und Kinderwagen war. Meinung off

 

 

Zurück in die eigentliche Einkaufsstraße.

 

Gerade ist bekannt geworden, dass die Leiterin der Stabsstelle Wirtschaftsförderung, Svenja Krämer, die Stadt Dinslaken verlassen wird, ihre Nachfolge ist noch nicht offiziell geregelt. Das trifft die Stadt nun zur Unzeit. Oder auch nicht.

 

Zwölf (!) Prozent Leerstand und der heißeste Tipp an die Eigentümer lautet, Zettelchen in die Scheibe zu hängen, um Vermietungswillen zu signalisieren. Bei so viel Hilflosigkeit ist mir heute früh das Brötchen im Hals steckengeblieben. Verstehen wir uns bitte richtig, ich lache mitnichten darüber. Ich finde es traurig, dass die Umstände es erfordern.

 

Dass es nicht Aufgabe der Stadt ist, Mieter zu finden, ist klar. Im Fokus steht das Standortmarketing. Und das wiederum steht für – ich weiß es nicht.

 

Ich bewege mich an mindestens drei Tagen der Woche in der Innenstadt und kann absolut keine „Linie“ erkennen. Abgesehen von einem Hang zu Ein-Euro-Läden und Fast Fashion.

  

 

Liebe Leser, es wird Sie wahrscheinlich jetzt schocken, aber im Prinzip haben wir diese Entwicklung mitverschuldet. Einerseits durch unser Einkaufverhalten, das zunehmend onlinebasiert, andererseits durch das ständige Jammern darüber, dass früher alles besser war. Es macht wenig Laune, in einer Stadt, in der die Kaufkraft 2,8 % über dem Bundesdurchschnitt liegt und eigentlich genügend Geld vorhanden ist, ein Geschäft zu eröffnen, wenn die Gewerbesteuer bei 460 % liegt und im selben Ladenlokal innerhalb der letzten fünf Jahre zehn Vorgänger gewesen sind.

 

Wie ja regelmäßige Leser meines Blogs wissen, war ich bis vor einer Weile Bankerin. Jemand, der mir einen Businessplan für ein Ladenlokal in der Dinslakener Innenstadt vorgelegt hätte, hätte schon mit der eierlegenden Wollmilchsau um die Ecke kommen müssen, um mich davon zu überzeugen, ernsthaft in ein Finanzierungsgespräch einzusteigen. Just sayin'.

 

Sie glauben nicht, dass es so mies um unsere Innenstadt bestellt ist? Gehen Sie mit offenen Augen über die Neustraße, zählen Sie die leeren Ladenlokale. Gehen Sie in ein Geschäft, sprechen mit dem Inhaber. Gehen Sie online und vergleichen Angebot, Preis und Nachfrage.

 

Wir haben die Wahl: Wollen wir noch mehr Schrömmelläden oder ein – zugegeben mutiges und ein bisschen besonderes – Konzept ausprobieren?

 

 

Worauf ich hinauswill …

 

Dinslaken kann gut und gerne ein waschechtes Alleinstellungsmerkmal verkraften. Mit dem kulturellen Angebot und speziell dem Fantastival liegen wir schon sehr weit vorn. Die günstige geographische und infrastrukturelle Lage sind ein weiterer Vorteil gegenüber anderen Städten, die unter ähnlichen Problemen bei anderer Größe leiden.

 

Es bringt jetzt aber nichts, ein Konzept z. B. aus Herten oder Rosenheim zu übernehmen, weil wir hier bisher andere Schwerpunkte gesetzt haben, bzw. keine – die Krux einer vielschichtigen Wirtschaftsstruktur. Was ich damit nicht meine: Alle Eier in einen Korb legen. Dann haben wir wieder eine Monokultur wie zu Montanzeiten. Was wir aber tun sollten, ist uns auf das zu fokussieren, was wir können, und dahingehend Kräfte bündeln.

 

  

Was könnte das sein?

 

Die Idee ist nicht neu, sie ist nicht von mir, aber sie wurde bisher nicht ernsthaft als mögliche Wirtschaftsgröße etabliert. KSL.

  

What the hell is KSL?

 

Kunst statt Leerraum.

 

 Mit diesem Kunstfestival haben die Organisatoren um Ben Perdighe und die Stadt Dinslaken bereits fünfmal bewiesen, dass wir hier Kunst haben, Kunst können und Kunst ankommt. Mit ihnen und ortsansässigen Künstlern wie Reiner Langer, Alfred Grimm und Julian Schimanski – Sie verzeihen mir bitte, dass ich Sie in einem Atemzug nenne – haben wir ein entsprechend breit aufgestelltes Netzwerk sowie eine Expertisen-Basis, auf der sich eine Stadt der Galerien errichten lässt.

 

Wie? Leere Ladenlokale werden an Künstler vermietet, als Galerien und Ateliers. Verstreut über die Einkaufsstraße und anliegende Straßen.

 

Die räumliche Nähe zur Kunstakademie Düsseldorf und Folkwang Universität der Künste in Essen legen eine Kooperation nahe, die höhersemestrigen Studenten sowie Absolventen ermöglicht, Arbeiten auszustellen, zu verkaufen und wiederum ihr Netzwerk zu erweitern. Die Möglichkeit dazu sollte auch ambitionierten wie professionellen Künstlern ohne Hochschulausbildung gegeben werden.

 

 

Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?

 

Natürlich. Die Gretchenfrage. Wenn es so einfach, gewinnbringend und kostengünstig wäre, würde es jeder machen. Mit Kunst allein können ohnehin nur die Wenigsten Geld verdienen und selbst Elite-Absolventen haben es auf dem Markt schwer. Im künstlerischen Umfeld von Agenturen, Verlagen, Medien, Museen und Behörden sieht es dagegen anders aus und zumindest die drei Erstgenannten können sich weitestgehend frei ansiedeln. Grundsätzlich ist der Gedanke anzustrengen, ob und inwiefern bspw. Stipendien in Form von kostenloser/stark vergünstigter Gewerbefläche zur Verfügung gestellt werden können. Eine Beteiligung der Immobilieneigentümer, ansässiger Geschäftsleute und Kunstförderprogramme sollte dabei als erstes in Betracht gezogen werden, um eine Belastung des städtischen Haushaltes über die eigentliche Wirtschaftsförderung hinaus zu vermeiden.

  

Zu bedenken sei an dieser Stelle, dass sich nicht von heute auf morgen Erfolg einstellen wird und auch die Akzeptanz bei den Bürgern sich nicht über Nacht einstellt. Man muss dem Ganzen Zeit geben, sich zu etablieren, aber Dinslaken könnte im Laufe von fünf bis zehn Jahren tatsächlich zur Kunst[handels]stadt werden.

 

Unsere hervorragende Anbindung an wichtige Fernstraßen und die Metropole Ruhr erlaubt es Händlern und Künstlern, Dinslaken schnell und gut zu erreichen. Generell ist bei einer entsprechenden Vermarktung mit einem Tourismuswachstum zu rechnen, welches sich, bei entsprechendem Management, wiederum positiv auf die Stadtentwicklung auswirkt.

 

Der Vorteil der „Stadt der Galerien“ in der Dinslakener Kernstadt [und bei erfolgreicher Etablierung mit späterer Ausweitung auf die anderen Bezirke] liegt auf der Hand. Wir müssen keine neuen Gewerbegebiete erschließen, sondern können die vorhandene Infrastruktur nutzen.

 

In dieser Win-win-Situation sollte allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die Ware Kunst einer eigenen Konjunktur unterliegt und der Markt nicht berechenbar ist. Die Stadt der Galerien darf daher nicht als Selbstläufer gesehen werden, sondern bedarf einer fachlich versierten Beobachtung und Entwicklung, die sowohl Trends als auch Langläufer erkennt, fördert und gezielt einsetzt.

  

Alles schön und gut, aber muss es denn unbedingt Kunst sein?

 

Nein. Es muss gar nichts, außer etwas passieren. Ich verweise noch mal auf den erhofften Zuzug und die damit verbundene Frage, welche Lebensqualität wir den Neu-Dinslakenern grundlegend bieten wollen respektive können.

 

Denkbar wäre an dieser Stelle, nach Bad Münstereifel zu schielen und das bisher einmalige Konzept der Outlet City in einer für Dinslaken passenden Form zu adaptieren. Ich wage aber zu bezweifeln, dass unser Stadtbild für die dazu notwendigen Investoren interessant wäre. Eine solche Verwandlung auf eigene Faust zu stemmen dürfte utopisch sein. Nur am Rande bemerkt: Der Gewerbesteuerhebesatz in Bad Münstereifel liegt bei 480 %. Ich bitte bei einer Favorisierung dieser Idee zu bedenken, dass wir damit wiederum Kaufkraft aus unseren Nachbarstädten abschöpfen würden. Ein Effekt, den wir selbst zu spüren bekommen haben, als das Centro 1996 seine Pforten öffnete. 

  

Alternativ oder begleitend zu Kunst und Klamotten ist jetzt noch ein günstiger Zeitpunkt, sich mit dem Gedanken zu befassen, ob und inwiefern Dinslaken sich als Standort für ein Rehabilitationszentrum anbietet. Wir leben länger. Wir leben gefährlich. Der Bedarf an Reha-Maßnahmen ist ungebrochen bzw. wächst unaufhaltsam. Davon könnte Dinslaken als an die Metropole angebundene Stadt im Grünen durchaus profitieren. Wer zum Beispiel mal einen Blick Richtung Meerbusch (St. Mauritius Therapiekliniken) riskiert, erkennt sicherlich schnell, welchen Standortvorteil wir hier haben. [Meerbusch als Beispiel, da ebenfalls Metropolnähe, ca. 56.000 Einwohner, mehrere Zentren.] Zu begrüßen wären dann regelmäßig neue Patienten, die auch Kaufkraft in die Innenstadt tragen, aber nicht mit dem eigenen Auto kommen, der Zuzug von Fachkräften würde nicht nur das Image der Stadt aufpolieren. Die Wirtschaftskraft, die durch eine solche Institution in die Stadt fließt, muss ich hoffentlich niemandem erläutern.

 

Dass man solch ein Objekt nicht „mal eben“ in die Stadt holt, leuchtet ein. In erster Linie müsste hier über die Trägerschaft nachgedacht und ein leistungsstarker wie erfahrener Partner gewonnen werden. Es bleibt aber zu überlegen, ob dahingehende Bestrebungen erlässlich sind.

 

 Kommen wir noch mal zurück zu der Sache mit der Kunst ...

 

 

da fehlt nämlich noch ein wichtiger Aspekt: Wie soll man den Vermietern der Ladenlokale das Konzept „Stadt der Galerien“ schmackhaft machen?

  

Jetzt setze ich mich mit Anlauf in die Nesseln: Gar nicht. Im Gegenteil. Man muss den Eigentümern leerstehender Immobilien die Nicht-Vermietung madig machen. Leerstand über einen längeren Zeitraum besteht nur dann, wenn sich der Eigentümer diesen wirtschaftlich erlauben kann und will. Solange ein paar simple Nachweise reichen, um einen Leerstand in der Steuererklärung als Werbungskosten geltend zu machen und Tipps dazu jedermann zugänglich sind, müssen wir uns über die kleinen „zu vermieten“-Zettel in den vielen Schaufenstern nicht wundern. Ich bitte an dieser Stelle darum, sich Artikel 14 Absatz 2 unseres Grundgesetzes zu Gemüte zu führen: „Eigentum verpflichtet.“

 

Eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hat sich 2018 mit der Besteuerung von leerstehenden Immobilien befasst. Grundsätzlich geht es in diesem Papier um Wohnraum, jedoch wird auf den Seiten 12-14 deutlich, dass sich diese auf gewerblich zu nutzende Immobilien übertragen lässt. Das Zauberwort heißt hier „örtliche Aufwandsteuer“. Die kennen wir in Dinslaken sogar schon, da wir diese für Glücksspielbetriebe erheben. Es bedarf dazu übrigens nur eines Ratsbeschlusses. Worüber wir uns im Klaren sein sollten: Die reine Eindämmung spekulativen oder aus Nachlässigkeit und Desinteresse herbeigeführten Leerstandes führt zwar zu geringfügigen Mehreinnahmen der Stadt, sollte aber wie oben angeführt nicht dem reinen Selbstzweck dienen, sondern von konzeptionellen Maßnahmen begleitet werden.

 

Die örtliche Aufwandsteuer führt sich natürlich bei Vollbelegung selbst ad absurdum. Zu beachten ist hier, dass ein gesunder Kompromiss gefunden werden muss, der den geringeren Quadratmeterpreis bzw. die Förderung der Galerien und Ateliers nicht zu einer absoluten Benachteiligung von Einzelhandel und Dienstleistungen werden lässt. Schon beim sukzessiven Aufbau der „Stadt der Galerien“ muss kontrolliert werden, wie viel Fläche dauerhaft zu einer gesunden Belebung beiträgt, ggf. muss die Entstehung einer Monokultur durch Deckelung geregelt werden.

 

 

Haben wir keine andere Möglichkeit, an Geld zu kommen?

 

Ob ich nun Kloschüsseln oder Bausparverträge an den Mann gebracht habe, ich musste meine Kunden akquirieren, beraten und ihnen etwas im Gegenzug für ihr Geld bieten. Wir als Stadt haben aber verdammt noch mal nichts, was wir auf die Schnelle jemandem verkaufen können. Das Kronjuwel Trabrennbahn wird ab 2023 baulich weiterentwickelt und hilft uns erst, wenn die ersten Gelder fließen. Wenn überhaupt.

  

Im April dieses Jahres forderte der DGB bei der Ruhr-Konferenz, dass eine Entschuldung der Kommunen im Ruhrgebiet her müsse, um die Handlungsfähigkeit dieser zu erhalten. Man habe schließlich auch die Banken gerettet, die Kommunen seien nicht minder systemrelevant.

 

Den Ausführungen, insbesondere der Forderung, das Konnexitätsprinzip [„Wer bestellt, soll auch auch bezahlen“] einzuhalten, schließt sich die Stadt Dinslaken inhaltlich in ihren Aussagen aktuell an, jedoch verharrt sie dabei wie das Kaninchen vor der Schlange und wartet auf den Schuldenschnitt. Dabei ist sie durchaus in die Kritik [aktuell einzelner] geraten, die zur Einnahmensteigerung eine Senkung der Gewerbesteuer für gangbar halten. Dass sich die Gewerbe dadurch oft nur von der einen in die andere Stadt verlagern und schlimmstenfalls zum Wanderzirkus werden, bleibt leider zu wenig beachtet. Ein Tiefstapel-Poker, der als „Gewerbesteuer-Kannibalismus“ bereits seit 2008 in Deutschland von sich reden macht und dessen trauriger Trend anhält. Sich an dieser Stelle nun vornehm zurückzuhalten und eine Reform abzuwarten, kann ich zwar nachvollziehen, da Schnellschüsse hier den Trend nur befeuern würden, aber sich generell der Debatte darum zu verweigern und – so erweckt es zumindest den Anschein – die Sache auszusitzen, lässt auf Reformergebenheit und wenig Innovationsgeist schließen.

 

Nicht zu vergessen: Das sind Forderungen bzw. Wünsche der Städte an den Bund. Ob und wann diese umgesetzt werden, steht nicht mal in den Sternen. Und selbst wenn, werden der Stadt nicht von heute auf morgen 100 Millionen Euro zur freien Verfügung transferiert. Wie wahrscheinlich diese „einfache“ Lösung ist, ist momentan nicht abzusehen, da vom Schuldenschnitt überwiegend das Land NRW profitieren würde, was bundespolitisch wiederum zu Spannungen führen könnte, zumal die kommunale Finanzausstattung grundlegend Ländersache ist. Wer sich diesbezüglich etwas mehr einlesen möchte, dem sei dieser Artikel des Handelsblattes ans Herz gelegt.

 

(Augenmerk sollte in puncto Ruhr-Konferenz übrigens der Tatsache gelten, dass die Stadt Dinslaken in der dort gezeigten Präsentation durch ihre Zugehörigkeit zum Kreis Wesel nicht zum eigentlichen Ruhrgebiet gezählt wird. Dass Dinslaken trotzdem mit denselben Folgen des Strukturwandels zu kämpfen hat[te], ist unbestritten. Als dem Regionalverband Ruhr angehörige Stadt ist hier eine deutliche Abgrenzung zu anderen Städten des Kreises Wesel gegeben.)

 

Kommt es auch für Dinslaken zum Schuldenschnitt nach der auf der Ruhr-Konferenz vorgestellten Lösung bzw. einer von Bund und Ländern zu erarbeitenden Alternative, bedeutet dies zwar eine Entlähmung des Haushaltes, aber nicht, dass Geld dann im Überfluss vorhanden ist. Selbst dann nicht, wenn die Leistung kommunaler Sozialabgaben ebenfalls reformiert würde. Diese Stunde Null ist entfernt vergleichbar mit einem Besuch von Peter Zwegat. Der bringt zwar für gewöhnlich kein Bargeld mit, aber sortiert die Finanzen, verhandelt mit Gläubigern und stellt einen Wohlverhaltensplan auf. Wer es dann verkackt und sich nicht daran hält, ist ziemlich schnell wieder am Allerwertesten.

 

 

Am Allerwertesten vorbei führt auch ein Weg.

 

Mit der „Stadt der Galerien“ allein werden wir das Haushaltsloch nicht stopfen können. Schon gar nicht kurzfristig. Wie bereits mehrfach angerissen kann nur ein Ansatz mit vielfältigen und -schichtigen Konzepten und nachhaltiger, zukunftsorientierter Entwicklung gelingen.

 

Das erfordert unterem auch, bestehende Strukturen (diverse GmbHs als hundertprozentige Töchter der Stadt, die Rechtsform der Stadtwerke, insbesondere im Hinblick auf ein mögliches Bürgerbad, sowie die Verteilung der Geschäftsbereiche bzw. Vorstandsbereiche innerhalb der Stadtverwaltung) zu hinterfragen, auf ihre Zukunftsfähigkeit zu überprüfen und sie bei Bedarf zu reorganisieren.

  

Wir haben einen blühenden Veranstaltungskalender, der zur Lebensqualität massiv beiträgt. Die Fertigstellung der Kathrin-Tüks-Halle ermöglicht uns, diesen auszubauen und zu einem größeren Wirtschaftsfaktor werden zu lassen.

 

Wir haben Industrieromantik und Niederrheinidylle, auf die wir touristisch aufsatteln können.

 

Wir haben mit dem Bergpark in Lohberg begonnen, Gelände zu diversifizieren, und sollten an die Bestrebungen, dies auch auf dem MCS-Gelände zu tun, anknüpfen. Inwiefern hier die örtliche Aufwandsteuer Druck auf den Eigentümer erzeugen kann, wäre zu prüfen. Gegebenenfalls kann hier nach einer entsprechenden Bodensanierung Wohnraum in der Innenstadt entwickelt werden.

 (Wer zur Abwechslung Lust auf Verschwörungstheorie hat, klicke erst hier, bzw. für das englische Original hier, dann aber auch unbedingt hier.)

 

   

Auf einen Bierdeckel gebracht

 

 Hier noch einmal, kurz vor Schluss, die Kernpunkte. Man vergisst ja bei der Länge schnell mal, was man alles gelesen hat:

   

  • Entwicklung des Trabrennbahnareals zu einem Rehabilitationszentrum mit angeschlossener Parkfläche zur Nutzung für Patienten und Allgemeinheit

  • Wohnraum außerhalb der Kernstadt entwickeln und diesen besser an ÖPNV anbinden (die Verkehrsbetriebe dürfen hier auch gern einen Vertrauensvorschuss geben. Was nicht vorhanden ist, kann nämlich auch nicht angenommen werden) 

  • Leerstand bekämpfen durch Stadt der Galerien

  • bestehende Beteiligungen und Pläne hinterfragen, ggf. reorganisieren

  • Weiterentwicklung bestehender Projekte und Konzepte

  

Oder was ganz anderes?

 

So oder so: Wir brauchen Ideen, Konzepte und Anregungen, nicht um das Rad hier neu zu erfinden, aber es wieder in Schwung zu bringen. Von nix kommt nix … Das wäre dann jetzt der Zeitpunkt für Ärmel hoch und in die Hände spucken.

  

Wer fängt an?

 

 

  

  

 

PS: An den armen Menschen im Rathaus, der das lesen und bewerten musste: Es tut mir leid. Wenn Sie mögen, geht der nächste Kaffee bei Ba're:se auf mich. Einfach – anonymisiert – Kontakt aufnehmen, klären wir dann.

 

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Judith (Mittwoch, 14 August 2019 22:42)

    Stadt der Galerien ist tatsächlich ein guter Gedanke. Die Stadt muss wieder ein Wohlfühlort werden, an dem man sich gerne aufhält. Leerstand könnte auch an junge Startups, zeitlich begrenzt, vermietet werden. Stichwort: Pop-up-Store. Vermieter sollten aufhören Bruchbuden mit utopischen Mieten anzubieten. Sorgt durch ordentliche Instandhaltung und realistische Grundmieten dafür, dass inhabergeführte Geschäfte sich ansiedeln und durch Umsatzmieten dass alle von belebten Innenstädten profitieren.

  • #2

    Larissa Schwarz (Mittwoch, 14 August 2019 22:44)

    Danke für das Feedback und Stichwort Umsatzmieten! Das sollte man angesichts der Lage tatsächlich als weitere Alternative prüfen.