Es fing an mit einer Nachricht eines Facebook-Freundes. September 2019. Ob ich nicht Lust hätte, meine Bilder auszustellen, wäre ja schade, wenn die niemand live zu Gesicht bekommen würde. Er hätte da was.
Kopfüber in unbekanntes Gewässer
Hm. Klar, das wäre prima. Eine Ausstellung war auch schon angedacht, aber hatte sich dann im Sande verlaufen. Ob und in welcher Form KSL stattfinden würde, war unklar. Das Angebot wirkte wie ein gefundenes Fressen – und bei sowas werde ich ja erstmal skeptisch. Er vermittelte mich an zwei Damen, die die Wechselausstellung in einer Behörde betreuen. Das bedeutete also erstmal eine Weile Mailkontakt, um beiderseits Fragen zu klären und sich zu beschnuppern. Im Oktober war dann klar, wo und in welchem Rahmen die Möglichkeit bestünde, ein Zeitraum war auch fix gefunden.
Willkommen in der Landeshauptstadt
Für November hatten wir dann einen Termin in Düsseldorf ausgemacht. Landesamt für Besoldung und Versorgung. Uff. Nennen wir es LBV, das geht leichter von der Zunge. Die beiden Damen, die „Kunst im Foyer“ betreuen, nahmen mich – ohne dabei übergriffig zu sein – an die Hand, zeigten mir die Räume und sahen sich meine Bilder an. Sympathie war auf beiden Seiten da, der Wille zur Ausstellung auch, aber für insgesamt 24 Meter Ausstellungsfläche im belebten Raum erwiesen sich meine Bilder als viel zu klein.
Mist.
Die Geburtsstunde der Großformate
Klar, man kann natürlich auch kleine Formate aufhängen, aber um den Betrachter zu locken und den Raum zu beleben, braucht es Eyecatcher. Um nun aber ein Bild in 80*80 cm oder besser noch 100*100 cm mit Schnipseln zu fertigen, hätte ich entweder einen zeitlichen Aufschub um zehn Jahre benötigt oder aber eine andere Technik anwenden müssen. Und bei Technik kam mir die Idee, die kleinen Arbeiten weiterzuentwickeln und auf die große Leinwand zu bringen. Photoshop macht’s möglich. Im Gespräch spannen wir diese Idee weiter und vertagten uns daraufhin.
Ein bisschen geknickt, weil es irgendwie doch nicht passte, verließ ich Düsseldorf wieder. Aber immerhin hatte die Sache einen Haken und war nicht das gefundene Fressen. Ich konnte mich daher wesentlich besser darauf einlassen. Bekloppt, oder?
In den nächsten Wochen machte ich mir Gedanken, welche bisher vorhandenen Bilder sich eignen würden, entwarf diverse Alternativen, experimentierte mit Farben und Materialien. Leinwand flog als Träger schnell raus, zu blass, beliebig und matt. Alu-Dibond und Acrylglas erwiesen sich bei Probedrucken als vielversprechend und schienen mir für den Ausstellungsort ideal.
Mathe und Finanzen
Für das nächste Treffen im Januar hatte ich mich vorbereitet. Die ersten drei Exponate waren zu meiner Zufriedenheit gedruckt und ich stellte sie im LBV vor. „Das ist es!“
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ein kleiner. Denn einerseits hatte ich in der Zwischenzeit schon einige Bilder verkauft und auch die Großformate kamen gut an, aber mit ein bisschen Kopfrechnen war schnell klar, dass ich mindestens 12, eher 15 der großen Bilder brauchen würde, um die Fläche optimal zu bespielen. Im Gegensatz zu den kleinen Bildern, deren Materialwert bei ca. 2 € liegt, muss ich für die Drucke jedoch einiges tiefer in die Tasche greifen. Um das Hundertfache, in etwa. Und da reden wir allein von den Produktions- und Versandkosten.
Pro Bild.
Hätte ich ja vorher wissen können
Nun ja, natürlich war der Gedanke nicht erst beim Meeting im Januar da. Aber erst mit dem Zuschlag und der verbindlichen Vereinbarung einer Ausstellungszeit, wurde er von „hm, das wäre in etwa …“ zu „oookay, das sind 3.000 €, die ich in Vorkasse gehe“. Wohlgemerkt: ich weiß nicht, wie viel davon – wenn überhaupt – wieder reinkommt. Meinem Mann entlockte das nur ein Schulterzucken. „Mach. Wenn du keins verkaufst, kommen sie zu Hause in den Flur.“ Gut, das wird dann Petersburger Hängung, aber so weit sind wir ja noch lange nicht.
Ich will mich übrigens keineswegs beklagen, nur ein bisschen auf höchstem Niveau jammern. Ich weiß, wie viele Künstler das Geld nicht haben/hätten und wie prekär oft die Situation ist. Meine Privilegien sind mir durchaus bewusst. Trotzdem war das für mich so ein „Point of no return“ – da darf man mal schlucken.
Langstreckenlauf
Wer mich kennt, weiß dass ich eher die Langstreckenläuferin bin, gern mal mit dem Training schludere und erst kurz vor dem Event in die Vollen gehe. Lässt sich auch auf andere Projekte übertragen und wird sich vermutlich in diesem Leben auch nicht mehr ändern.
Für die Ausstellung hatte ich mir immerhin einen Plan zurechtgelegt, bis wann ich was erledigt haben müsste, damit ich nicht am Tag des Aufbaus mit leeren Händen dastehe. Bis zum zweiten Juli 2020 mussten also 15 Großformate fertig sein. Ein Drittel hatte ich bereits druckreif bzw. gedruckt, zwei Bilder waren zumindest skizziert und so weit entwickelt, dass ich sie nur noch technisch umsetzen musste. Acht Bilder jedoch gab es noch nicht mal im Kleinformat, sondern nur in meinem Kopf. Ein halbes Jahr wirkte da zwar verlockend lang, aber ich wusste, dass ich mich ranhalten musste.
Und dann kam Corona
Mich selbst hat das glücklicherweise nur peripher betroffen, aber da viele andere Dinge zum Erliegen kamen und plötzlich auch niemand mehr Geld für Kunst ausgeben wollte, bröselte ein wenig die Grundlage für die Drucke weg. Was mich zwar nicht an der Arbeit hinderte, aber meinen Optimismus etwas trübte. Die beiden Damen vom LBV meldeten sich dann Anfang Juni mit der Frage, ob ich bei dem Zeitraum bleiben wollte oder lieber verlegen. Der nächste Slot wäre aber frühestens September-Oktober 2021, eher später.
Öhm. Nein. Auch wenn die Ausstellung ohne Vernissage auskommen müsste und sie weniger Menschen zu Gesicht bekämen, da unklar war, wer wann ins Gebäude darf: Jetzt.
Ich bin nämlich, auch wenn man das aufgrund dieser fisseligen Arbeiten nicht vermuten würde, sehr ungeduldig und hab lang geplante Sachen auch gern hinter mir. Gilt sogar für Urlaub. Machen und gut.
Under pressure
Ein bisschen Druck brauche ich zwar, aber wenn mir die Druckerei dreimal das Bild in mieser Qualität schickt und nicht in der Lage ist, eine ordentlich formatierte Datei auszulesen, muss ich mir eine neue suchen. Das ist dann Druck, den ich nicht so dolle finde. Vier Wochen vor Ausstellungsbeginn. „Under pressure“ begleitete mich also seit Anfang Juni. Eigentlich wollte ich mich zu diesem Zeitpunkt um nichts anderes mehr kümmern als PR, Visitenkarten, Versicherung, Logistik, den Katalog und Akquise.
Stattdessen sondierte ich Mitbewerber der bisherigen Druckerei, telefonierte und mailte stundenlang, bis ich dann einen Anbieter in Berlin fand. Der auch nur eine Kompromisslösung darstellte, aber immerhin keinen Schock bekam, als ich Dateien mit 250 MB hoch lud. Für ein Bild von 120*60 cm. Den Schock bekam ich dann mit der Rechnung. Und winkte sie einfach durch. So kurz vorm Ziel sollte es daran nicht scheitern. Um das zu verdeutlichen: Ich hatte die Bilder nicht zu spät bestellt, sondern aufgrund von Reklamationen und schließlich Rücktritt vom Kaufvertrag sechs Wochen verloren. Mein Zeitplan hat das aber ganz elegant ausgehalten und so erreichte mich das letzte Exponat am 19.06.2020, also noch fast drei Wochen vor Beginn der Ausstellung.
Buch Nummer acht
„Ich kann leider nicht zur Ausstellung kommen, gibt es einen Katalog?“
Uff. Ja. Ähm. Jein. Also …
Es gab ja schon immer Erläuterungen zu den Bildern. Diese hatte ich für die Vernissage geschrieben, damit der Schirmherr der Ausstellung sich im Vorfeld ein Bild davon machen konnte. Die Erläuterungen sollten dann in der Ausstellung ausgelegt werden, damit der geneigte Betrachter seine Interpretation mit meiner Ambition abgleichen konnte, wenn er denn wollte. In drei Nachtschichten klöppelte ich dann also aus diesem Flyer einen druckreifen Katalog. Aber wie viele sollte ich davon herstellen lassen? Mein Budget hockte hinter mir und drohte mit der 32er-Gusseisen-Pfanne.
Die Erleuchtung kam dann mit dem Sonnenaufgang. Print on demand. Hat bei sieben Büchern bisher sehr gut funktioniert, warum dann nicht auch hier? Ökologisch und ökonomisch betrachtet die sinnvollste Variante und dafür, dass ich mich mit Vertrieb und Versand nicht befassen musste auch die nervenschonendste. Wer den Katalog vorher haben will, kann ihn bestellen und mitnehmen, wer was aus der Ausstellung mitnehmen möchte, bestellt ihn bequem im Anschluss oder kauft natürlich direkt eins der Originale. Hehe.
Booooinnng
Die Bratpfanne zog mir dann jemand über, von dessen Seite ich nicht damit gerechnet hätte. Keine zwei Wochen vor Ausstellungsbeginn.
„Wenn’s für eine Ausstellung in nem Atelier nicht reicht, macht man es halt in ner Behörde.“
Joa.
Sind ja auch nur Räumlichkeiten, die von 1.200 Mitarbeitern und mehreren hundert Besuchern täglich genutzt werden. Wo die Bilder auch denen zugänglich sind, die Kunst sonst nicht erreicht. Wo die Ausstellungsfläche auf anderthalb Jahre ausgebucht ist. Wo ich zwar [fast] alles selbst organisieren muss, aber auch [fast] alles selbst entscheiden kann.
Wo der Ort einen Bezug zum Thema hat.
Nur eine Behörde halt.
Die Reaktionen, nachdem ich dies auf Twitter und Facebook veröffentlicht hatte, bestätigten mich in meiner Haltung. Liebe meine Bubble ❤️
Prinzessin, wie kommen die Bilder eigentlich nach Düsseldorf?
Ich bin das geborene Logistikgenie. Ehrlich. In meinen 1996er Ford Fiesta habe ich seinerzeit 11 Getränkekisten und zwei Mitschüler gequetscht und wir sind unfallfrei zur Party gekommen.
Nun sind aber Acrylglas und Aludibond im Format 50*100 cm bis 80*120 cm alles andere als quetschfreudig und die Kartons rutschig wie ein Pfund Butter in der Sonne. Zwei Stunden packen und messen, eine Rolle Klebeband und unzählige Seufzer später bestätigte sich mein Bauchgefühl [und die grobe Messung von vor zwei Wochen]. Die Rückbank meines Autos ist rausnehmbar, also nehme ich sie raus. Ein paar Decken und Spanngurte rein – los geht’s. Französische Autos sind ja für ihren Komfort und die weiche Federung bekannt*, daher bin ich zuversichtlich, dass wir heil in Düsseldorf ankommen.
* „Die Federung muss so gut sein, dass ein Korb voller roher Eier eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht.“ Citroëns Generaldirektor Pierre-Jules Boulanger.
Wie ist denn das eigentlich …
Nachdem ich alles fertig vorbereitet hatte, habe ich mir den Spaß gegönnt, mal zu gucken, wie Profis das machen bzw. was einem so geraten wird, wie man eine Ausstellung angeht.
Warum erst jetzt? Weil alles andere mich verunsichert hätte.
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