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Drei Tüten Popcorn für ein Halleluja – Wir haben ein Image[film]problem.

 

Wer meine Reels und meinen YouTube-Kanal kennt, weiß, dass ich von Kameraführung, Schnitt, Bildfarbe, Ton, Übergängen und Co. wenig bis keine Ahnung habe. 

Als Autorin liegen mir Handlung, Dramaturgie, Betonung und bildhafte Sprache näher. 

Als bildende Künstlerin arbeite ich natürlich auch mit Farbkomposition, gezielter Bildzusammenstellung und Metaebenen.

Als Bankerin habe ich gelernt, zu verkaufen, zu erklären und mit Kritik umzugehen. 

 

 

Was hat das nun mit dem jüngsten Imagefilm für die Stadt Dinslaken zu tun?

 

Na ja, als Kunstschaffende wurde mir das Werk heute zugetragen und ich wurde gefragt, wie ich es finde. Hmtjanun.

 

Über Geschmack streiten wir in Dinslaken ja gern und viel. Man kann Geschmack an sich auch nicht kritisieren. Sehr wohl aber die Erfüllung eines Auftrags. Ein Imagefilm soll die Stadt präsentieren und attraktiv darstellen, Lust auf sie machen. Das Image zu polieren ist eine Kunst, der man aber eher mit werbestrategischem als mit Storytelling auf der Metaebene Genüge leistet. Ich kann und will nicht beurteilen, inwiefern das Werk künstlerisch wertvoll ist. Kunst muss nämlich keinen Zweck erfüllen. Ein Imagefilm schon. 

 

Auftrag war, „einen professionellen Dinslakener Imagefilm“ zu erstellen, „der auch für internationale Präsentationen genutzt werden kann. Dabei soll die Ausrichtung des Films so gewählt werden, dass er zugleich städtisch/regional, bundesweit und international zu verschiedenen Rahmenanlässen sinnvoll eingesetzt werden kann.“ Vorlage 1520/2018 (dinslaken.de)

 

 

In Bezug auf die Langfassung kann ich leider nur sagen, dass er – unabhängig vom Erfüllen künstlerischer und handwerklicher Ansprüche – den Auftrag nicht erfüllt. Er ist textlastig in deutscher Sprache, nimmt Anspielungen vor, die ohne tiefere Kenntnis deutscher Kultur, nicht zu sagen Dinslakener Geschichte, nicht verständlich sind, und repräsentiert nur einen Bruchteil der Dinslakener Vielfalt.

 

Hätte ich einen besseren Imagefilm gemacht?

 

Weiß nicht. Den kurzen und den mittleren hab ich ja nicht mal gesehen. Den langen habe ich mir zu Gemüte geführt, zwei Notfall-Knoppers inhaliert und die Herztropfen meiner verstorbenen Omma großzügig dosiert in den Kaffee gekippt und geext. 

 

Ich hätte einen anderen Film produziert. Tatsächlich mehr marketing-isch und weniger künstlerisch. Mehr polierend, mehr Menschen, mehr Dynamik. Weniger anekdotisch, erzählerisch, märchenhaft. 

 

Ich hätte ein, zwei Kameraleute und einen Drohnenexperten engagiert, Schnitt und Ton sowie Postproduktion weiteren Profis überlassen. 

 

Wir wären im Kino gestartet und hätten in Zeitlupe einem Maiskorn beim Puffen zugesehen,  nähmen in Echtzeit eine Tüte Popcorn entgegen, würden das Kino im Laufen verlassen und hätten (Übergabe auf Drohen) auf der Anzeigetafel gelesen „Today: Dinslaken“ oder „Welcome to Dinslaken“. (Whatever. Irgendwas Catchiges wäre mir schon eingefallen.)

 

Übergang. 

Wir fliegen über den Neutorplatz auf die Galerie zu. Flugmusik.

Wechsel zur Steadycam. 

Fröhliche Menschen auf dem Platz, irgendein Festival, lachende Gesichter. Meinetwegen nicht mal eine Veranstaltung, sondern nur geselliges Beisammensitzen auf der Mauer von Maaß. (Man reicht sich Popcorn an?) Stadtgeräusche, Gelächter.

 

Wir fliegen weiter, Übergang. 

 

Wir starten am Hexenhaus, man hört leise  Musik (vom Burgtheater kommend, lauter werdend, je näher man kommt) Zoom von der Wand weg, bis man das Mural ganz sieht, kurzer Flug durch die Altstadt zum Burgtheater, wo gerade Halligalli ist. Wenn wir gerade kein echte VEranstaltung haben, wird es roh gefilmt und ein geisterhaftes Overlay zeigt kurz, wie es „unter Strom“ aussieht. (Gibt genügend tolle Beispiele aus jüngerer Vergangenheit.) Jemand hält Popcorn anbietend in die Kamera. 

Zoom in auf das Popcorn.

 

Zoom out. (Geräuschvoll)

Orange glühender Ofen bei Benteler, Stahlrohr, Dreck, hart arbeitende Menschen. Originalton. Industrieromantik im Kleinen. 

 

Flugmusik.

Direktflug von dort ins Dinamare, Schwimmbadgeräusche, offenes Dach, Summer Dreaming, Bademeisterbutze mit Überwachung und trallala, Schwimmbadpommes, ein grinsendes Kind auf Einhornbadeinsel, sportschwimmende Senioren. Ein älteres Paar teilt sich Popcorn und guckt sich verliebt an.

Zoom in auf Badehandtuch mit Stadtwerke-Logo oder so.

 

Übergang via Zoom Out von orangem Gemüse beim Wochenmarkt, Direktflug oder Übergang zum Bergpark. Start hoch über dem Förderturm, Flugmusik oder Kreischen

Weitsicht, fallen wie in einer Achterbahnfahrt entlang des Turms hinab, Stippvisite beim Hasen, kreiseln um die bunten Stege. Wechsel zu Steadycam, läuft ein paar Meter mit Boulderern mit oder anderen Freizeitsportlern, Spaziergängern. Sportgeräusche. Lohberger Kinder essen Popcorn meinetwegen bei nem Picknick, einer Aktion an der blauen Bude oder am Fahrrad stehend.

 

Übergang. 

 

Vogelgezwitscher. Kamera auf Fußhöhe. Fahrradkolonne klingelnd und knirschend auf Kies. Kuckuck. Rotbachplätschern, Kamera steigt auf Augenhöhe, folgt ein paar Meter dem Rotbach, taucht ab, kommt über das Mühlrad wieder hoch. Zoom in was Passendes zu

 

Übergang blur

 

Die Bürgermeisterin oder Random Person steht schmunzelnd im Innenrund der Trabrennbahn (Kamera Augenhöhe, Oberkörpershot), stopft sich zwinkernd eine Handvoll Popcorn in den Mund (oder eben manierlich ein Stück), Einblendung: Man muss es einfach lieben. Dinslaken. Untertitel: Die Stadt im Grünen. 

Drohne hebt ab, zeigt noch mal die Stadt von oben. Echtbild wird zu catchy Abschlussbildchen: Umriss der Stadt mit Logo und den vielen grünen Flecken, die sie hat. 

 

„See you soon in Dinslaken“ oder so. Beliebig erweiterbar um ein paar ausdrucksstarke Bilder aus dem Museum Voswinkelshof, Bauarbeiten anywhere, schnellen Bildwechseln aus diversen modernen Betrieben (FredsBruder, Lenzing, Kuhlmann, KiddyBox, Kultura usw.). Popcorn kann auch nur ganz am Anfang und am Schluss vorkommen. Wenn wir ehrlich sein wollen, zeigen wir die Wunderfinder bei der Arbeit, den DIN-Service und eine kaputte Scheibe am Bahnhof. Ein bisschen woke, aber keine Snowflake.

 

Klare, farbgewaltige und spannende Bilder, passende Übergange, durchgehend verfangende Musik, die halt nur in Szenen von Geräuschen überlagert wird. Nix Wildes, aber auch keine eingeschlafenen Füße.

 

 

Welche Story erzählt dieser Film?

 

Dinslaken ist eine dynamische Stadt, in der Jung und Alt überwiegend einen hohen Lebensstandard haben und die Vorzüge hier genießen. Er zeigt, dass hier gearbeitet wird, aber auch Kultur geschaffen. Wir mögen Nostalgie und unsere Ruhe genauso wie Spaß und Sport. Wir speckgürteln uns durch das Beste aus Ruhrgebiet und Niederrhein.

 

Wir haben nicht so irre viele Alleinstellungsmerkmale und heben uns nicht sonderlich von anderen mittleren Kleinstädten ab. Wir müssen erst recht nicht so tun, als wären wir Essen oder Edinburgh.

 

 

Ich wiederhole meine Frage von oben noch mal. Wäre meiner der bessere Film [sofern er handwerklich gut gemacht ist]?

 

Das ist und bleibt Geschmackssache. So wie ich den Neunminüter nicht treffend und unsere Stadt passend darstellend, finden bestimmt viele Menschen diese Idee zu bombastisch, zu modern, zu rasant und hektisch. Wahrscheinlich würde er aber den Nerv der Zeit treffen und ein Image der Stadt erzeugen, das mehr von ihr und ihren Menschen wiedergibt. Und er würde jemandem, der es nicht mal auf der Landkarte finden würde, einen konkreteren Eindruck von Dinslaken vermitteln.

 

Nothing more, nothing less.

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