Ich könnte jetzt die Wahrheit sagen; dass das Bild kaputtgegangen ist, als ich es transferiert habe. Weil ich zu ungeduldig und zu ungeschickt war, den falschen Pinsel benutzt habe.
Das wäre schlecht, weil ich ja mit Kunst Geld verdiene und mein öffentliches Scheitern jetzt nicht grad dazu beiträgt, als professionell wahrgenommen zu werden.
Fishing for compliments mache ich ja lieber ironisch.
Ich könnte das Bild natürlich auch einfach wegwerfen. Lehrgeld halt.
Ich könnte aber auch eine Geschichte erzählen, die so ein Viertel bis halb wahr ist.
Dass es Absicht war, dieses Bild so zu gestalten.
„– Bei Strukturwandel bleibt halt immer ein bisschen was auf der Strecke. – Aber man sieht nicht mal mehr, was gemeint ist! – Egal. Bis jemand rausgekriegt hat, dass wir hier nur Inkompetenz verschleiern, ist so viel Wasser den Rhein runter …“
Der Dialog in Anführungszeichen könnte ein passender Titel sein.
„Aber die Kunst!“ ginge auch.
Denn was fehlt, nicht mehr erkennbar ist, ist das Kunststück, das ich fotografiert habe. Die Bronze „Kohlestück“ von Jakob Kolding, die im gleichen Zeitraum in den Bergpark einzog wie der Hase von Thomas Schütte.
Oder wie wäre: „– Entschuldigung, ich würde gern das Kunstwerk unter ihrem Popo fotografieren, würden Sie bitte ein Stück nach links rutschen? – Da liegt doch nur ein leeres Trinkpäckchen. – Nee, daneben, gucken Sie mal. – Ich seh nur Unkraut. – Da-haaaa! – Ach Gott, das ist Kunst?“
So passiert. Heute.
Die Kunst im Bergpark verschwindet. Die „Choreographie einer Landschaft“, über die ich – überwiegend zum Hasen – schon mal einen Artikel verfasst habe, die einst Ausdruckstanz künstlerischer Elite war, hat Arthrose. Sie ist eingerostet wie Opas Hüftgelenke, weil er seine Krankengymnastik nicht gemacht hat. Wozu auch? „Können Sie nicht einfach Massage machen, auch wenn Mobilisation auf dem Rezept steht? … wie, nein? … Dann komme ich nicht mehr.“
Im Artikel von 2020 hatte ich prophezeit, dass die Kunstwerke verfallen würden, wenn wir uns nicht darum kümmern.
Habe ich die Skulptur heute freigelegt?
Nein. Ist nicht mein Job. Wenn ich dabei was kaputtgemacht hätte, hätte ich den Ärger am Hals. Wir erinnern uns alle an die liebe Omi, die das Jesusbild restaurieren wollte?
Außerdem hatte ich Junior dabei, den Kunst so viel interessiert wie … nun … wie den durchschnittlichen Dinslakener Kunst im öffentlichen Raum unserer Stadt halt interessiert.
So bockig wie Opa Humpelkumpel auf die Ablehnung seiner Vorstellung reagiert hat, so ablehnend reagiert der Durchschnitts-Dinslakener auf Kunst, die er nicht greifen kann, die nicht schön ist, die sich nicht auf den ersten bis dritten Blick erschließt.
Und er hat – im Gegensatz zu Opa – recht.
Kunst ist zwar für die Menschen da, aber sie muss nicht jedem gefallen, sie darf sogar verärgern, unzugänglich wirken, hässlich sein. Er darf sie ablehnen. Bezahlen muss er sie halt trotzdem.
Wie ich schon 2020 schrieb: Wenn ihr alle es so schlimm findet, kümmert euch drum. Entweder sorgt dafür, dass sie wegkommt oder tut etwas dafür, dass sie besser inszeniert wird.
Oder lasst es halt verkommen. Was uns dann jedoch teuer zu stehen kommen wird. Wenn wir mal an „Die Säulen der Weisheit“ denken oder den Zins-Würfel. Ganz zu schweigen vom Signal, das wir an Kunst- und Kulturschaffende senden.
Die Pandemie hat einen Kulturwandel verursacht, Inflation und Depression wirken wie ein Katalysator.
Wenn wir also annehmen, mit der Kunst im Bergpark einen Fehler gemacht zu haben, sollten wir daraus lernen und vielleicht genauer überlegen, was wir als Nächstes tun.
Das Problem des Kulturwandels ist übrigens keins der Stadtspitze. Zumindest auf keinen Fall allein oder ursächlich. Den Stellenwert von Kunst räumen wir als Stadtgesellschaft ein. Wir haben also die Möglichkeit, unsere Repräsentanten im Stadtrat damit zu beauftragen, mit ihrem verlängerten Arm ein bisschen Unkraut zu zupfen und ein Schildchen anzubringen. Wir müssen es aber nicht. Wir müssen uns dafür auch nicht rechtfertigen. Geht ja eh alles den ausgetrockneten Bach runter.
Der eingemottete Danke-Kumpel und sein Zwilling sind Figuren, mit denen sich der Durchschnitts-Dinslakener viel besser identifizieren kann, aber auch die beiden behandeln ja wir eher stiefmütterlich.
Die Skulpturen im Bergpark haben keine Namensplaketten, keine Hinweis- oder Erklärungsschilder, die Kumpel nicht mal einen Standort.
Und schon denken wir über 50.000 Euro für das nächste Werk nach. Im Tierschutz wären wir als Stadt längst wegen Vernachlässigung angezeigt und dürften keine weiteren Tiere halten.
Aber Kunst ist kein Lebewesen und einen Kunstschutz gibt es nicht. Solange der Künstler nicht Rabatz macht, Presse einschaltet oder selbst Hand anlegt, hat es keine Konsequenzen.
Also kaufen wir einfach die nächste Skulptur. Irgendwer wird sich schon drum kümmern. Vermutlich der DIN-Service. Und wenn nicht, ist auch egal.
Nicht ganz. Es geht über kurz oder lang da hin, wo es wehtut. An den Geldbeutel. Darüber lernen manche Menschen es ja am besten. Wir können uns diese Ignoranz nur dann kostenfrei erlauben, wenn wir kunst- und kulturfreie Stadt werden wollen. Ansonsten sollten wir in die Pflege investieren und in Bürgerbeteiligung.
Ha! Damit habt ihr nicht gerechnet, ne?
Eigentlich wollte ich den Bogen nicht schlagen, aber eine gut angelegte Bürgerbeteiligung zur Kunst im öffentlichen Raum kann der Schlüssel zu mehr Akzeptanz und einem besseren Umgang mit dieser sein.
Und so steht das zerhackte Bild des Kohlestücks dann für Scheitern, Struktur- und Kulturwandel, Eigentum verpflichtet, Kunst, Geld und dem Vorsatz, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Macht ihr brav eure Rückengymnastik und Dehnübungen, ich muss noch drei Polaroids auf Aquarellkarton ziehen. Bei Kaufinteresse an diesem Werk oder einem meiner anderen schreibt mir gern eine Mail, bei Kritik und Anregungen einfach einen Kommentar unter diesem Beitrag. Merci.
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